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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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gleicherweise einander zugeneigt. Nicht Glück empfanden sie, sondern die reine Seligkeit.
    Brangaene spürte währenddessen jedes Mal voll Ungeduld, wie die Zeit verging und bereits der Morgen graute.
     
    Gemeinsames Essen ~264~ Heller Mond
     
    Unterdessen hatte Marjodô auf der Burg alle Hände voll zu tun, und es ärgerte ihn, dass der König ausgeritten war, um sich in den Wäldern zu vergnügen, während er den ganzen Tag die Anlieferungen der Steine, die Lagerung von Futter für die Tiere und gleichzeitig die Sicherung der Tore überwachen musste. Ständig war er innerhalb und außerhalb der Burg unterwegs, mehrmals am Tag wechselte er das Pferd, stritt sich mit den Knechten, verhandelte mit den jüdischen Architekten über die steigenden Kosten und konnte sich kaum Ruhe gönnen. Wenn die Sonne untergegangen war, fand er sich im Saal mit den größeren Feuerstellen zum Abendessen ein. Meist traf er dort auf Tristan, der an den Saiten seiner Harfe zupfte, ab und zu ein Lied sang, mit den Mägden spaßte und so tat, als gäbe es nur eine Welt - die der Vergnügungen.
    Bisweilen tauchte auch die Königin zum Essen auf in Begleitung Brangaenes und seit Neuestem auch von Paranis, einem Knappen, den König Marke für Isolde während seiner Abwesenheit als Dienstmann bereitgestellt hatte.
    Paranis war ein junger Mann mit blond gelocktem Haar, darin Tristan nicht unähnlich, allerdings ein wenig größer als der Parmenier und von der Statur her kräftiger gebaut. Er hielt sich stets im Hintergrund, räumte sogar Schüsseln ab oder füllte die Becher auf. Tristan schien sich gut mit ihm zu verstehen, sie sprachen untereinander in einer fränkischen Sprache, der Marjodô nur ein paar Worte ablauschen konnte, die er irgendwo einmal aufgeschnappt hatte.
    An solch einem Abend tauchte plötzlich Melôt neben dem Truchsess auf. Er hatte den Zwerg erst gar nicht bemerkt. Wie ein Hund mit gestutzten Krallen musste er sich ihm genähert haben. Auch setzte er sich nicht neben ihn auf die Bank, sondern war an Marjodôs Seite stehen geblieben, ohne dass ihn jemand bemerkt oder gesehen hatte.
    »Was willst du?«, flüsterte der Truchsess zur Seite.
    »Ich weiß, wo sie’s miteinander treiben in der Nacht.«
    »Wer?«
    »Wer schon, du Dummkopf! Tris und Is!«
    Marjodô verstand »Frissundiss«. Da Melôt ihn gern damit aufzog, dass er zu gern und auch zu viel aß, und da er zudem einen anstrengenden Tag hinter sich hatte, wurde er ärgerlich und gab dem Zwerg, der gerade unter der Bank hindurchkriechen wollte, mit dem Fuß einen Tritt. »Halt dein Maul«, zischelte er.
    »Bei den Birken treffen sie sich.«
    »Wer denn?«
    »Psst, still, nicht so laut! Die Königin und dein Nachbar im Schlafe!«
    Jetzt verstand Marjodô Tris und Is. Er horchte auf, ließ einen Löffel fallen und beugte sich zum Boden hinunter, um Melôt direkt in die Augen zu sehen. »Bist du dir sicher?«
    »Ganz sicher!«
    »Hau ab von hier. Wir sehen uns draußen. Gleich.« Marjodô richtete sich wieder auf, schob seinen Teller in die Mitte des Tisches und verabschiedete sich von Isolde und Tristan, die sich an einer der Tafeln artig in gehörigem Abstand gegenübersaßen. Noch eine Verbeugung an der Tür gegen die Königin, und schon stand er im Flur.
    Melôt packte ihn gleich am Hemd und zog ihn fort zu einer der Bänke, auf der sonst die Wachleute hockten. Dort setzten sich die beiden Halb- oder Scheinbrüder, wie der Zwerg gern bemerkte, nebeneinander. Marjodô senkte sein Haupt, und der Hofnarr flüsterte ihm ins Ohr: »Du bekommst sie, deine Prinzessin. Du willst sie doch, oder? Wen hast du am Hofe noch nicht gehabt? Sogar die schöne Helena! He, sag’s mir! Alle, stimmt’s? Außer der Königin!«
    »Dummkopf! Kannst du nicht endlich aufhören mit deinen plumpen Anspielungen und Scherzen? Ich bin müde, mir tränen die Augen. Du weißt ja nicht, welcher Staub …«
    »Wir werden alle mal Staub, der wir gewesen sind. Jesus Christus! Erinnerst du dich? Oder sagte das Clemens, unserer Papst? Ganz gleich. Sie treffen sich bei der alten Ulme, dort, wo auch die Birken wachsen, beim Bach. Brangaene, die Schlange, wirft Späne ins Wasser, dann weiß Tristan Bescheid, dass die Luft rein ist. So geht das - fast! - jeden Abend. Ich bin überzeugt davon: auch heute.«
    Marjodôs Müdigkeit verflüchtigte sich. »Wenn wir sie auf frischer Tat …«, dachte er laut.
    »Das ist es: auf frischer Tat!« Melôt klatschte vor Begeisterung in die Hände.
    »Sei still!«,

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