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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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fuhr ihn Marjodô an. »Wir - sind gar nichts! Der König muss es selber mit eigenen Augen sehen!«
    »Er ist gar nicht so weit von hier.« Melôt seufzte vor Glück. Sein Scheinbruder hatte angebissen, endlich standen sie auf einer Stufe. Und ruck, zuck, wie Melôt meinte, sollte der Plan ausgeführt werden: Marjodô schickt einen schon ausgewählten Boten auf dem schnellsten Pferd in den nahe gelegenen Wald der drei Kreuze, Melôt führt den König und den Truchsess zu der Ulme, die beiden erklettern den Baum, verstecken sich im Geäst, warten, bis Brangaene die Astschnipsel in den Bach streut, warten, bis Isolde und Tristan sich einfinden, die beiden zusammenschmelzen - und »klapps!«, Melôt schlug die Hände noch lauter gegeneinander, der Fisch sei gefangen, der Ritter entehrt, die Königin vogelfrei, das alles ein Spiel, und er sei derjenige, dem das alles zu verdanken wäre. »Was sagst du dazu?«
    »Wie viel Zeit haben wir?«, fragte Marjodô.
    »Keine - es gibt nur ein >Jetzt gleich sofort    »Dann also sofort.« Marjodô war überzeugt und zu allem entschlossen. Er spürte die Gelegenheit, seine Macht über Tintajol auszuweiten. Fiele die Königin in Ungnade, wäre auch der König nicht mehr zu retten. Cornwall würde den Baronen gehören, und er wäre ihr Anführer!
    »Wie heißt der Reiter, den ich zu Marke schicken soll?«
    »Kilian«, sagte Melôt. »Er wird uns gute Dienste leisten. Warte ab und halte dich bereit.«
    Und so geschah, was Melôt geplant und erwartet hatte. Zum einen arrangierte Brangaene wieder das Zusammentreffen der Liebenden, zum anderen traf Marke zu guter Stunde bei dem Ulmenbaum ein. Zum dritten aber, und das hatte niemand voraussehen können, brachen in dieser Nacht die Wolken am Himmel auf, der Mond trat daraus hervor und schickte ein so helles Licht auf die Erde, dass »jedwedes Ding«, wie es hieß, »sich in seinem eignen Schatten wiederfinden konnte«.
     
    Dunkle Bilder ~265~ Lichterscheinung
     
    Als Kilian von Markes Wachsoldaten zum Lagerplatz der Jäger begleitet worden war und der Bote vor seinem König stand, war Marke so überrascht, dass er sich von seiner Bank am Feuer erhob, sich aber zugleich vor Schmerzen in den Rücken fassen musste. Den ganzen Tag lang hatte er auf seinem Pferd gesessen. Die Jagd war erfolgreich gewesen, am Eisenstab über der Glut briet eine Wildsau, und Wein war ausgegeben worden. Die Jäger und Gehilfen freuten sich auf den Jagdschmaus, es wurde gesungen. Da führte man plötzlich Kilian, seinen früheren Knappen, vor ihn, der, wie sich Marke erinnerte, vor langer Zeit verschwunden war. Er hatte immer geglaubt, der junge Mann sei damals zu Tode gekommen, war darüber verwundert gewesen, aber auch nicht allzu sehr erstaunt, denn es verschwanden immer wieder einmal Männer und Frauen scheinbar spurlos - nur ihre Namen blieben bestenfalls in den Kirchenbüchern oder Bestandslisten zurück.
    Marke winkte den Mann zu sich. »Woher kommst du, wie viel Zeit ist vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, wo bist du gewesen?«, fragte er ihn, ohne ihn mit Namen anzusprechen.
    Kilian blickte seinen König ruhig an, als überlege er es sich, wie er ihm antworten sollte. »Ich stehe wieder in Euren Diensten, in die mich Euer Marschall eingesetzt hat«, sagte er nur, »und soll Euch eine Nachricht überbringen.«
    »Was für eine Nachricht?« Marke war noch immer so verwundert, dass er seinen früheren Knappen wie einen langjährigen Vertrauten behandelte. Er sah in sein Gesicht, das wie sein eigenes gealtert war, als hätte sich das Leben in ein Zurückblicken verschoben. Für einen Moment hielt Marke an diesen Gedanken fest, dann fragte er nochmals: »Was für eine Nachricht?« Die sei vertraulich, sagte Kilian.
    Marke, im Rücken den lodernden Schein des Feuers, erkundigte sich bei einem der Wachsoldaten, ob alles in Ordnung sei. Der Mann sei ohne Waffen, kam es zurück. Erst dann trat Marke vom Feuer weg und mit Kilian unter die Bäume. Der flüsterte ihm die Nachricht ins Ohr.
    Marke ließ sofort ein Pferd satteln, und einige Zeit später waren die beiden Reiter an dem vorbestimmten Ort bei der großen Ulme. Dort wartete Melôt. Wieder gab es nur geflüsterte Worte. Eine Leiter war an den Baum gelegt, Marke stieg hinauf und fand dort schon Marjodô vor, versteckt in den Ästen des uralten Baumes. Kilian entfernte die Leiter und führte die Pferde ab. Melôt verdrückte sich.
    Marke und der Truchsess, die sich wie zwei Klammertiere an

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