Tristan
entstand Schweigen. Tristan begann, sich unwohl zu fühlen, spürte auch seine Müdigkeit. »Nun, wer?«, setzte er ungeduldig nach und ließ sich nochmals den Becher füllen. »Wer?«, schrie er in die Nacht hinaus.
Die Mannen erschraken. So kannten sie ihren Herrn nicht. Keiner antwortete, bis das Wort aus der Tiefe des dunklen Waldes als Echo zurückkam: »Wee-heer?«, schallte es über sie hinweg, und alle schienen eingeschüchtert, duckten sich oder murmelten etwas vor sich hin.
Tristan wischte sich mit der Hand über die Augen. Mit welch dummen Leuten er doch zusammen war, dass sie sich von einem Echo so beeindrucken ließen. »Wer?!« - schrie er nochmals und freute sich wieder an dem Echo, das gleich erschallte. Erst lachte er, klopfte sich auf die Schenkel und ließ sich erneut einschenken. Dann legte er sich mürrisch und müde vom Wein in sein Zelt.
Am anderen Morgen zogen sie weiter. Keiner sprach ein Wort über den vergangenen Abend. Tristan war verstimmt, doch die Reise ging in Richtung Süden, der Sonne, Isolde entgegen. Das munterte ihn auf.
Eine der letzten Stationen war die Burg von Graf Wessely. Marke hatte ihm von dem Baron und seiner Tochter erzählt, ihn zugleich aber vor diesem Mann gewarnt. »Sollte mir - Gott behüte uns davor - einmal ein Unglück geschehen«, hatte er Tristan lange vor seiner Heirat gesagt, »nimm dich in Acht vor diesem Mann. Er glaubt Anspruch zu haben auf meinen Thron. Um an die Macht zu kommen, ist ihm jedes Mittel recht. Und schau nie zu tief in die Augen seiner Tochter. Wie war noch ihr Name? Ich weiß es nicht mehr, ich will es auch nicht wissen.« Seltsam war diese Bemerkung gewesen, deshalb hatte Tristan sie sich wohl gemerkt.
Graf Wesselys Burg war nach Tintajol die größte im Königreich Cornwall. Der Lord gab sich auch keinerlei Mühe, seine Wohlhabenheit zu verbergen. Was nicht von Gold war, musste aus Silber sein. In den Kaminen brannte loderndes Feuer, die Räume hatten eine angenehme Wärme, da sich der Winter nun dem Ende zuneigte.
Tristan bekam eine Kemenate ganz für sich allein. So ungewöhnlich das war, freute er sich doch sehr darüber. Anfangs wunderte er sich, dass das Bett wohl keinem einzelnen Gast zustand, sondern eher einem fürstlichen Paar. Überall waren Lämpchen aufgestellt, es gab Schalen voller duftender Äpfel, in der Feuerstelle zischten brennende Scheite. Es schien ihm, dass dies alles zu viel wäre für einen allein, und er fragte nach, ob auch die beiden Knappen hier nächtigen könnten. »Die haben ihren eigenen Platz«, wurde ihm ausgerichtet, er solle sich umkleiden für das Mahl.
Umkleiden? Mahl? Tristan war erstaunt. Derartige Worte hatte er gehört, als er mit Courvenal unterwegs gewesen war und die heilige Stadt Rom besuchte. Auch in Spanien hatte es solche Vorschriften gegeben. Aber hier, in Cornwall? Er hatte nichts mehr zum Umkleiden!
Wenig später ließ er sich von einem der Bediensteten in einen hohen Raum führen, in dem eine große Tafel gedeckt war. Der Tisch war so breit, dass sich niemand über ihn hinweg die Hände hätte reichen können. Der Lord und seine Frau saßen an der Stirnseite, einige Plätze waren von Gästen aus der näheren Umgebung besetzt, ein Stuhl, Tristan direkt gegenüber, war noch frei. Auf dem Tisch standen Gläser und Karaffen mit Wein, es gab Gabeln und Löffel und Messer mit kurzen Klingen. Auch das kannte er aus Spanien, man nannte es dort estuche oder cubiertö, das Besteck des Medicus. Einen Moment lang hatte Tristan fast vergessen, in welcher Welt er sich befand.
Der Wein wurde ausgeschenkt, dann betraten Bedienstete den Raum. Sie trugen Schüsseln und Platten auf, an denen kleine Lämpchen angebracht waren, sodass jeder genau sehen konnte, was vor ihn auf den Tisch gestellt wurde: Gemüse, Fleisch, Wurzeln - gekocht, gebraten, gedämpft. Es roch köstlich.
Lord Wessely wollte gerade sein Glas erheben, um auf das Wohlergehen des Königs anzustoßen, als erneut die Türen aufgingen und eine junge Frau in raschelnden Kleidern den Saal betrat - Sir Wesselys Tochter. Sie setzte sich artig auf ihren Platz, blickte in ihren Schoß, und nun begann der Baron mit seiner Rede.
Tristan hatte kaum etwas von ihrem Inhalt aufgenommen. Sie begann bei Marke, griff zurück auf den legendären König Arthur, streifte die Schlacht von Hastings und fügte zum Schluss die abenteuerlichen Heldentaten Fürst Tristans von Parmenien ein, der Cornwalls König aus dem Bann Eruis befreit und Marke seine
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