Tristan
Rebhühner und wunderte sich, wie ansprechend Tristan und Isolde in so kurzer Zeit ihr Haus hergerichtet hatten. Alle Kletterpflanzen waren beseitigt, es gab eine Art Tisch, zu dem Tristan eine Steinplatte umgewandelt hatte, und drei Sitzplätze auf dem Boden. Die Feuerstelle war vollständig eingerichtet, und Tristan sang zur Laute seine unvergleichlich schönen Lieder.
In der Nacht schlief der Mönch wieder bei den Pferden und brach früh auf, verabschiedete sich auch nicht - so war es verabredet. Zwei Tage brauchte er, bis er Tintajol erreichte. Dort erzählte er Marke, er habe die beiden verloren.
»Was heißt verloren?«, fuhr ihn der König an.
»Wir lagerten auf dem Weg in Richtung zu einem Schloss am Waldrand, und als ich am Morgen erwachte, waren die beiden fort.«
»Das kann nicht sein!«
»Aber so ist es gewesen. Sie haben alles mitgenommen, nur mein Pferd ließen sie mir.«
»Und was wird nun geschehen?« Marke war fassungslos.
»Mein Herr, ich weiß es nicht. Sie können überall sein. Ich ritt zwei Tage zurück zu Euch, sie ritten in der gleichen Zeit zwei Tage von uns weg, da trennen uns schon vier Tage. Sie könnten jetzt fast in Scotia sein. Ich weiß es nicht. Ich bin müde.«
Marke stieß einen Fluch aus und entließ den Mönch. Courvenal schlich sich schnell in sein Gemach, ließ sich eine Karaffe Wein und etwas Brot und Käse bringen, schloss sich ein und beugte sich über sein libellus, um mit frisch geschnittener Feder und sorgsam angerührter Tinte die jüngsten Ereignisse festzuhalten.
T&I. Der Ort, an dem sie sich wiedergefunden haben, könnte nicht schöner sein. Er scheint nur wegen ihnen zu existieren. Ohne sie gäbe es ihn nicht. Die Säulen, das Bett, die Fenster, der Wald, die Blumen, die Tiere - das alles gehört zusammen: Nur meinem papyrus verrate ich das Geheimnis der Grotte, in der sie sich von nun an lieben werden. Niemand soll sie daran hindern. Das gelobe ich. Nie wird der Name Glumshore über meine Lippen kommen. Ich beneide sie um ihre Zweisamkeit. Was auf sie zukommt, damit ihre Liebe für sie auch lebenswert sein kann, verlangt Kraft und einen starken Willen. Darunter werden sie leiden. Doch für Liebende ist Arbeit nur ein Beiwort voller Hoffnung. Selbstvergessen baut der Vogel sein Nest…
Das »Haus« ~292~ Im Wald
Tristan und Isolde säuberten ihr neues »Haus« und gaben sich alle Mühe, es bewohnbar zu machen, als sie entdeckten, dass es aus mehreren verborgenen Räumen bestand, die durch enge Gänge miteinander verbunden waren. Über unzählige Jahre waren dort Nachtpflanzen und Wurzeln hineingewachsen, die sie Tag für Tag mit großer Anstrengung entfernten. Was ihnen als dunkle Gewölbe erschienen war, zeigte sich nach und nach als ein Geflecht von Decken aus kristallinem Gestein, ähnlich den Waben in Bienenstöcken. An diesen Stellen mussten sie äußerst behutsam vorgehen, entfernten Moos und Laub von innen und von außen, bis die Kammern von einem gelblichen Licht erfüllt waren. Da sie lediglich durch Tunnel verbunden waren, durch die sie sich nicht anders als hintereinander herkriechend bewegen konnten, fühlten sie sich deswegen gefangen und eingeengt. Um Isolde dennoch ansehen zu können, kroch Tristan deshalb bisweilen mit den Füßen rückwärts durch die niedrigen Gewölbe. Erreichten sie dann einen der Räume und spürten die angenehme Erdwärme, umarmten sie sich und verloren alle Beklemmung, die die Enge in ihnen erzeugt hatte. Mit der Erkundung der verzweigten Höhle hatte Tristan auch gleich begonnen, Pläne davon anzufertigen, die er eines Tages Courvenal zur Aufbewahrung geben wollte, um die seltsamen Höhlen später einmal auch anderen Liebenden zugänglich zu machen.
An den Vormittagen musste er Isolde off allein lassen, dann suchte er zusammen mit Hiudan die Stellen auf, an denen man auf Wild treffen konnte: Quellen und Bachläufe, Lichtungen oder dichtes Gehölz. Doch Hiudan verhielt sich wie ein Hund, der an einer Leine gehalten worden war, und verbellte die Rehe oder Fasane, weil er sie vertreiben wollte. Da Tristan befürchtete, durch das Gebell selbst entdeckt zu werden, gewöhnte er dem Hund mit viel Geduld das Kläffen ab, brachte ihn dazu, ihn und Isolde als seine Herren anzusehen und ihren Befehlen zu gehorchen. So wie der Pfeil von der Armbrust lautlos durch den Wald schnellte und die Beute traf, schlich Hiudan nun neben Tristan her und pirschte sich wie er selbst an das Wild heran. Abends nach dem Essen saß der
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