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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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der Entdeckung von Tristan und Isolde durch Marke und die Jäger geschahen umfangreiche und auch langwierige Vorbereitungen, um die beiden gebührlich nach Tintajol zurückzubringen. Erst wurden in dem verwunschenen Grottengarten Zelte aufgebaut, damit die Königin und Tristan wieder nach höfischen Regeln leben konnten. Dann wurden ihnen ihre besten Kleider gebracht und für Isolde sogar eine Sänfte, die zu benutzen sie heftig ablehnte.
    Schließlich ritten die beiden Ausgesetzten auf ihren besten Rössern und in Begleitung einer Ritterschar den langen Weg nach Tintajol zurück. Dort wurden sie von Marke und einigen Baronen empfangen, als sie nach ihrer Reise endlich in ihr domicilium zurückgefunden hatten.
    Auch Courvenal stand unter den Empfangsgästen und hatte längst den Rock des Jägers wieder abgelegt und sein Habit angezogen. So wollte er für sich die unverfängliche Möglichkeit schaffen, näher bei den Herren zu bleiben und ein Auge auf Tristan und Marke zu haben. Er wusste, dass die beiden für immer wie Kampfhähne zueinander stehen würden, ohne jemals in einem Ring aufeinander losgelassen zu werden. Das zeigte schon ihre erste Begegnung auf Tintajol.
    Tristan und Isolde ritten, begleitet von Knappen, hintereinender auf den inneren Hof der Burg. Marke hatte schon auf dem Alkoven gewartet, winkte ihnen von dort aus ein Willkommen zu und gab ihnen damit zu verstehen, dass er ihnen wohlgesinnt war. Doch Courvenal war es, der als Erster Isolde bei der Hand nahm, sie segnete, danach Tristan wie einen Freund umarmte und auch ihm den Segen der Kirche erteilte. Erst jetzt erschien Marke auf der Treppe, gefolgt von fünf Baronen, unter ihnen auch Lord Wessely. Wie der König es sich vorgenommen hatte, hielt er gleich an Ort und Stelle eine Ansprache, die er sich wohlüberlegt und mit den Baronen abgesprochen hatte.
    »Meine Königin«, sagte er, »und mein lieber Neffe und fürstlicher Ritter. Seid willkommen auf Burg Tintajol, von der ich euch aus einem großen Misstrauen heraus verbannte - wegen falschen Leumunds, der mir zu Ohren gekommen, und aus Schwäche meiner liebenden Seele, die immer nur dir, Isolde, gehört hat. Ich war blind und gestehe dies ein. Ihr beide mögt mir vergeben. Wie ich mich selbst überzeugen konnte, habt ihr in der Wildnis ein getrenntes und doch fürsorgliches Leben geführt wie zwei Geschwister, die füreinander da sind. Wir alle hatten genügend Zeit, uns eines Besseren zu besinnen. Die Liebe zu meiner Königin hat mir den Sinn vernebelt und mich im Verein mit den Baronen zu Entschlüssen getrieben, die ich zutiefst bereue. Sei wieder meine Gemahlin«, bat er Isolde - und an Tristan gewandt: »Du bleibe mein treuer Ritter und Gefährte.« Er senkte leicht sein Haupt vor den beiden, und zu Courvenals Überraschung verbeugten sich auch die Barone.
    »Wir wollen«, fuhr Marke fort, »von nun an in Eintracht und Rechtmäßigkeit auf Tintajol zusammenleben. Wir bedürfen Eures Muts und Eurer Klugheit - und auch deiner schönen Gesänge«, wandte er sich an Tristan. »Hier am Hofe«, sagte Marke und sah nun beide an, »werdet ihr euch im Gegensatz zur Wildnis nicht mehr so häufig begegnen und auch schicklichen Abstand zueinander halten, wie ich es nicht anders von euch erwarte. Isolde wird wieder in ihren Gemächern leben, und du, Tristan, erhältst den Auftrag, dich um unsere Ritter, Knappen und Befestigungen zu sorgen. Wir müssen Feinde fürchten, die immer tiefer auf britannisches Gebiet vorstoßen, wir müssen unsere Boote rüsten, und der zweite Graben um Tintajol ist immer noch in einem Zustand, der der Verbesserung würdig ist. Dies alles wird in deinen Händen liegen. Marjodô wird dir zur Seite stehen. Nun lasst das Gepäck abladen. Morgen sehen wir uns am Abend im Refektorium. Bruder Courvenal wird in Zukunft der Mittler sein zwischen dir und mir und darauf achten, dass alle Geschehnisse und Verhältnisse im Geiste unseres Heiligen Vaters in Rom und seiner Eminenz in Londres ihren Weg gehen.«
    Als ich diese Worte vernahm, notierte Courvenal in der Nacht, ahnte ich, welche Verpflichtung mir aufgebürdet worden ist. Ich sollte als Sittenwächter dienen und wäre zugleich der Zeuge für jedes noch so geringe Vergehen gegen die Ehegemeinschaft. Jederzeit könnte man mich zur Rechenschaft ziehen, wenn sich Tristanfehlverhalten würde. So wird er wieder zu meinem Schüler und ich zu seinem Überwacher. Die Verantwortung für sein Verhalten lastet auf mir. - Marke wandte sich

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