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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Holz, das er geschlagen hatte, als plötzlich Hundegebell im Wald erscholl. Hiudan stellten sich die Haare auf. Tristan griff zu seinem Schwert. Er hörte seinen Namen rufen. Es war Courvenals Stimme. Isolde hatte reichlich von einem ihrer Tees getrunken, und er wusste sie ruhig schlafend auf ihrem Lager. Tristan eilte nach draußen. Als er die Tür aufstieß, stand Courvenal vor ihm.
     
    Drückjagd ~293~ Die Entdeckung
     
    »Marke ist mit seinen Jägern im Wald«, sagte der Mönch ohne weitere Begrüßung zu ihm und war selbst gekleidet wie ein Jäger. »Ich konnte ihn nicht davon abhalten. Er vertreibt sich die Zeit und seinen Kummer um Isolde. Irgendeiner seiner Leute, Eardweard heißt er wohl, will einen Hirsch gesehen haben mit einem weißen Kragen. Deshalb sind sie jetzt hier und streifen durch die Wälder.« Er sah sich um und fragte: »Was habt ihr nur getan? Ist das euer Werk?«
    Tristan erschrak, als Courvenal diese Frage stellte. Doch der Mönch beschwichtigte ihn. Er hatte nur seine Bewunderung ausdrücken wollen. »Was für ein wunderbares gläsernes Dach! Einen kleinen Dom habt ihr euch geschaffen.«
    »Das stammt nicht von unseren Händen, Courvenal! Irgendjemand vor unserer Zeit, als es noch mehr als nur einen Gott auf dieser Welt gab, hat dieses Bauwerk in der Erde errichtet. Wir haben es nur wieder freigelegt. Aber das weißt du doch. - Lenk nicht ab: Wo sind sie?«
    »Sie müssen bald hier sein.«
    »Und sie wissen, dass du unseren Ort kennst?«
    »Davon hat niemand außer uns dreien Kenntnis.«
    »Dann reite ihnen entgegen. Führe Marke hierher. Spiel den Überraschten. Bleib an seiner Seite. Schau durch die Dachfenster, wie er es tun wird. Und sorge dafür, dass Isolde und ich an den Hof zurückkehren können. Beeil dich!«
    Tristan wartete nicht, bis der Mönch davonritt, sondern begab sich augenblicklich in die Höhle, weckte Isolde und zog sie, beladen mit Decken und Fellen, zum Hauptraum, wo er schnell auf dem Opferstein ihr Lager bereitete. Er befahl ihr, auf ihrer Seite des Bettes liegen zu bleiben, ließ sich auf der seinen nieder und legte zuvor zwischen sie beide sein Schwert. Wie er es Isolde eingeflüstert hatte, stellte auch er sich schlafend.
    Wenig später erreichte Marke mit seinem Jagdgefolge den Kuppelbau, der sich wie das Dach einer versunkenen Kathedrale aus der Erde heraushob. Er kroch mit einigen seiner Jäger bis zu den gelb schimmernden Fenstern und erblickte voller Erstaunen unter sich auf dem Boden des Schlafraums seine Frau liegend und neben ihr, auf der anderen Seite der Bettstatt, Tristan. Zwischen ihnen befand sich ein langschneidiges Schwert. Marke wusste nicht, was er sagen sollte. Etwas Befremdlicheres hatte er zuvor nie gesehen: durch ein Dachfenster aus bernsteinfarbenen Gläsern erkannte er Mann und Frau, die durch geschliffenes Eisen voneinander getrennt waren. Sie hatten Keuschheit geübt abseits von den Menschen und inmitten der Wildnis, hatten Abstand voneinander bewahrt während der vielen Monde, die vergangen waren, führten eine klägliche Existenz, eine Königin und ihr Ritter, weil er, Marke, ihnen sein Vertrauen versagt hatte. Scham und zugleich ein heftiger Schwindel überfielen ihn. Er musste zu seinem Pferd geführt werden, auf das er sich aus eigenen Kräften nicht mehr setzen konnte.
    »Wo ist der Zugang zu dem Tempel?«, fragte er Courvenal mit schwacher Stimme.
    »Wie soll ich das wissen, Herr?«
    »Sucht den Einlass!«, befahl er seinen Mannen. »Bringt mir die Königin zurück und meinen Neffen. Wohlbehalten, beide! Ich habe ihnen großes Leid zugefügt und sie ins Unglück gestürzt. Welche Entbehrungen müssen sie meinetwegen ertragen haben. Nicht sie sind an mir - ich bin schuldig an ihnen geworden!«
     
    Entschlossenheit ~294~ Entschiedenheit
     
    Schuld!, schrieb Courvenal später in sein Heft. Was hat dieses kleine Wort schon alles für Unheil angerichtet. Schlimmer sind nur Scheelsucht und Neid, aus der Missgunst und Missetat erwachsen. Hat sich invidia erst einmal in die Seele eingenistet, ist sie daraus nicht mehr zu entfernen. Der Neid geht gegen das Hab und Gut des anderen, auf das, was er mehr hat als ich. Die Scheelsucht hingegen kann nicht verwinden, das eines anderen Menschen Herz für jemanden schlägt, der ich sein möchte, aber nicht bin. Sie trübt den Blick, verengt den Sinn, erzeugt Blutleere, Lähmungen und zugleich unbändige Wut. Der Neid gehört hier den Baronen, die Scheelsucht ist allein Markes Krankheit.
    Nach

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