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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Hund bei Isolde am Feuer oder lag bei ihr in einer der neu geschaffenen Kemenaten. Nach kaum einem Monat gehörte er zu den Liebenden, als wäre er schon immer bei ihnen gewesen. Wenn sie eng umschlungen mit dem Morgenlicht aufwachten, saß Hiudan erwartungsvoll hechelnd bei ihnen und wartete darauf, mit Tristan auf die Jagd zu gehen.
    Manchmal verließ Isolde als Erste die Grotte. Sie wusch sich an einer Quelle und begann wie in den Tagen ihrer Jugend, Blüten und Kräuter zu sammeln. Sie bereitete heißes Gewürzwasser zu oder rührte Pasten an für den Fall, dass Tristan sich im Gestrüpp eine Wunde riss oder, wie es schon einmal geschehen war, von einem Eber bis auf den Knochen verletzt wurde. Da hatte er vor Schmerzen wie ein Kind gejammert und heftiges Fieber bekommen. Isolde heilte seine Wunde und konnte ihn retten. Ihre Sorge um Tristan ging danach so weit, dass sie ihn nicht mehr allein in den Wald ziehen lassen wollte. Nun waren sie immer zu dritt: Tristan, Isolde und Hiudan. Es schien, als könnten sie durch nichts mehr voneinander getrennt werden.
    Auf einem ihrer Streifzüge entdeckten sie jenseits des Hügels einen kleinen, in sich abgeschlossenen Wald, in dem ein paar Kirschbäume dicht beieinander wuchsen, die in voller Blüte standen. Um ihre Kronen und zwischen ihren Ästen summten die Bienen noch lauter als unter den Lindenbäumen, die bei der Grotte wuchsen.
    Als Tristan die Kirschbäume sah, wurde er rot im Gesicht, ohne dass Isolde es bemerkte. Er erinnerte sich an die Zeit vor der Vermählung Isoldes, an die Zelte der wife, an Courvenals Worte, an die Freiheit, die er in ihnen gespürt hatte, und an die Begierde, die in ihm aufgekommen war. »Lass uns hier ein Zelt errichten«, sagte er voller Eifer. »Hier wollen wir unseren Sommer verbringen, die Früchte ernten und aushalten, bis die Blätter sich einfärben.«
    Ohne Isoldes Antwort abzuwarten, begann er schon, nach einem geeigneten Platz zu suchen. In täglicher Arbeit errichteten sie ein Zelt aus Tierfellen. Für die lauen Nächte banden sie Kienhölzer zu Fackeln zusammen, die keine andere Aufgabe hatten, als ihre Liebe zu bescheinen. Beim Liebesakt flüsterte Tristan Isolde immer schamlosere Wörter ins Ohr und benahm sich manchmal so unbändig, dass Isolde sich ihn anflehend aus seiner Umklammerung befreite.
    »Du bist wie ein Tier«, sagte sie mit leisem Vorwurf, »du bist zügellos, du stöhnst und schreist, dass man es bis Tintajol hören kann.« Da erschrak er, beherrschte sich, näherte sich ihr wieder voller Zärtlichkeit und liebkoste sie so lange, bis sie sich ihm in stiller Lust hingab.
    Der Sommer hätte für die beiden ewig dauern können, aber als die Tage kürzer und die Nächte länger zu werden begannen, konnte Isolde manchmal nicht einschlafen und fing an, von Tintajol zu sprechen: Was wohl die Leute jetzt dort machten? Ob die Burg schon befestigt und wehrhaft sei? Wie es mit den Sachsen stände? Sie sprach auch von ihrer Heimat, ihrer Mutter, ihrem Vater, lobte die eine, verfluchte den anderen und hätte gern gewusst, wie es wohl Benedictus ergangen war. »Zu meiner Mutter kann er nicht zurückgekehrt sein«, sagte sie zu Tristan, der neben ihr lag und ruhig atmete. »Oder sie hat ihm den Kopf abschlagen lassen.«
    »Wie kommst du darauf?« Tristan fuhr auf. »Ihm hat sie es doch zu verdanken, dass ihre Tochter dem Urteil entging!«
    »Du sagst es gerade: Ihm hat sie es zu verdanken, nicht sie selbst war die Retterin! Und sicher wird sie inzwischen Nachricht über uns erhalten haben. Dass niemand weiß, wo wir sind und ob wir überhaupt noch leben. Zum andern hat uns Benedictus zwar bei dem Gottesgericht geholfen, was aber ist mit dem Urteil, das Marke über uns gefällt hat? Er hat uns verbannt und der Gefahr des Todes ausgesetzt. Meine Mutter wird denken, Benedictus sei schuld daran, weil er euren Gott hintergangen hat.«
    Isolde begann zu schluchzen. Tristan beruhigte sie, bald schlief sie neben ihm ein, wachte am nächsten Morgen auf und machte mit Hiudan einen Streifzug in die Umgebung, um nach Blumen zu suchen. Als sie jedoch ein paar Tage später wieder anfing, von Tintajol, Brangaene und Benedictus zu sprechen, ahnte Tristan, dass es ihr immer schwerer fiel, so fern von Menschen und vom Hofe zu leben. Da entschied er, dass sie zur Grotte zurückkehrten. Es sei auch an der Zeit, sich um Vorräte für die kalte Jahreszeit zu kümmern.
    Die Tage gingen dahin, Tristan schichtete eines Vormittags in einem Unterstand

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