Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Erbsensuppe für alle gäbe.
24. ERBSENSUPPE
Wisst ihr, wer die Wirtin war,
schwarz das Auge, schwarz das Haar?
Ännchen war’s, die Feine.
Wisst ihr, wo die Linde stand,
jedem Burschen wohlbekannt?
Zu Godesberg am Rheine.
Rudolf Baumbach
Die Begegnung mit Hans hatte mir nicht besonders gut getan, die Nacht war wieder voller dunkler Träume gewesen. Träume von all den Dingen, von denen ich gedacht hatte, dass ich sie hinter mir gelassen hätte. Ein Walzer in einer sternklaren Sommernacht, mit Alasdair MacAlan. Er war ein so gut aussehender Mann, groß und stark und mit rotgoldenen Haaren. Aber dann zerflossen die roten Locken in rotem Blut, und seine Gliedmaßen faulten ab, während wir uns im Kreise drehten.
Ich wachte auf, mir war kalt und klamm, wie so oft, wenn die Bilder aus dem Lazarett wieder auferstanden. Neben mir lag Geraldine in unruhigem Schlaf. Ich beneidete sie um ihr munteres Wesen, auch wenn sie mir manchmal recht aufgedreht und oberflächlich erschien. Sie hatte den Krieg in Brandenburg im Haus der Familie verbracht, angeblich in elender Langeweile, aber ihr war erspart geblieben, was ich erlebt hatte. Sicher, sie hatte ihren Bruder verloren, und sein unverdienter Tod schien sie mehr zu schmerzen als mich.
Titus war ein kurzes Glück gewesen, und heute fragte ich mich, ob es nach dem Krieg eine gemeinsame Zukunft gegeben hätte. Er war verwundet worden, ein Lungensteckschuss, der ihn an den Rand des Todes gebracht hatte. Aber er hatte sich erholt, und nach Godesberg war er gebracht worden, um seine Rekonvaleszenz voranzutreiben. Bäder, Trinkkuren, reichhaltiges Essen und Spaziergänge im Kurpark waren ihm verschrieben worden. Er kam nachmittags oft zu uns in den Garten des Hotels, in dem wir Kaffee und Kuchen servierten. Wenn ich nicht oben in der Mädchenschule, die zum Lazarett umfunktioniert worden war, Dienst tat, half ich meinen Eltern gerne aus. Wer immer einigermaßen genesen war, traf sich an schönen Tagen unter den Bäumen, ließ den Rhein an sich vorbeiströmen und versuchte die Aufmerksamkeit junger Damen oder hungriger Enten auf sich zu ziehen. Ich hatte etliche der jungen Männer in schlimmer Verfassung gesehen und freute mich jedes Mal, wenn einer von ihnen wieder auf den Beinen war. Manche würden immer versehrt bleiben, hatten Arme oder Beine verloren, tiefe Narben behalten, trugen Augenklappen und stützten sich auf Stöcke. Es war das dritte Kriegsjahr, und trotzdem war noch so viel Hoffnung in ihnen. Ich teilte sie nicht, und Leutnant du Plessis tat es auch nicht. Vielleicht zog er mich deshalb so an. Er war kein martialischer Krieger, sondern ein stiller, zäher Mann, der von Verantwortung und Ehre sprach. Manchmal erzählte er auch von seiner Familie, jedoch seltsamerweise nie von Geraldine. Als ich sie kennengelernt hatte, kam mir die Vermutung, dass die Geschwister so unterschiedlich waren, dass zwischen ihnen wenig Zuneigung herrschen mochte. Einmal hatte ich Gerry darauf angesprochen, aber das war das erste Mal, dass sie kaum eine Antwort gegeben hatte. Es war, als wollte sie die Tür zur Erinnerung geschlossen halten. Seine Eltern hatten sich ebenfalls gründlich zu ihrem Sohn ausgeschwiegen, also hatte ich das Thema vermieden.
Noch am Abend vorher hatte ich nicht nur mit einem Menschen aus meiner Vergangenheit gesprochen, mit Hans, sondern auch den Mann getroffen, der Titus gekannt hatte und unter dessen Befehl er in den Tod gegangen war. Ich hatte den Oberst nicht darauf angesprochen.
War mir Titus so gleichgültig geworden?
Oder war ich noch immer so erbärmlich enttäuscht, dass man mir nicht einmal einen Abschiedsbrief von ihm überbracht hatte? So viele andere Soldaten hatten im Angesicht des Todes derartige Briefe geschrieben, die ihren Angehörigen später überbracht worden waren. Hatte er an der Front schon nicht mehr an mich gedacht?
Vermutlich nicht.
Lass es gut sein, Emma. Denk an etwas Schönes.
An einen Flug im sonnigen Himmel, kleine Wölkchen jagen.
Die Flieger, die konnte ich verstehen. Hoch oben im Blau vergaß man die kleinlichen Sorgen.
Wenn man genug Benzin im Tank hatte.
Etwas Schönes, Emmalou!
Ich zählte Schäfchenwolken und schlief schließlich ein.
Schäfchenwolken befanden sich am nächsten Morgen nicht am Himmel, sondern eine Nebeldecke lag über dem Land. Na prima. Das erlaubte uns einen besonderen Blick auf die Rallye – nämlich gar keinen.
Daran hatte ich dumme Trine nicht gedacht, als ich meine grandiose
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