Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
dann gab es erst mal nichts mehr zu tun. Charlie reichte ihm mit einem aufmunternden Grunzen einen Stapel alter Zeitungen, und beglückt durchstöberte Fritz sie nach den Berichten der Eifelrennen. Tatsächlich, im Juni hatte es eine solche Fahrt gegeben. Mit sauber gewaschenen Fingern verfolgte er atemlos Zeile um Zeile und stieß dabei auf den Bericht über den Dürener Fahrer Gustav Münz. Das war ein Mann, der keinem der großen Rennställe angehörte, sondern mit seinem umgebauten Modell T angetreten war. Die Berichterstatter hatten sein Fahrzeug nicht sonderlich ernst genommen, und der Start verlief auch nicht eben bilderbuchreif. Am Beginn des Rennens war er aus der Kurve geflogen und hatte sich eine verbogene Vorderachse zugezogen. Münz hatte eine Schmiede aufgesucht, die ihm die Achse wieder richtete, und ging erneut auf die Piste. Dann versagte das Kupplungsgestänge, liefen die Bremsen heiß, und von der Karosserie fielen Teile ab. Trotzdem erreichte Münz das Ziel. Und die Kapelle dort stimmte das passende Lied an: »Wenn ich dich seh, dann muss ich weinen«.
Mochte der Ford auch mehr oder minder in seine Bestandteile zerfallen sein, es sprach in Fritzens Augen alles dafür, dass dieses Automobil eines der zuverlässigsten Gefährte war.
Die Eifel aber – das musste ein Land des Grauens sein. Das Rennen im Juni hatte drei Tote und mehrere Verletzte gefordert. Insbesondere bei den Motorradfahrern waren Opfer zu beklagen gewesen. Fritz kannte Berlin, wenn auch nur einige Bezirke der Stadt. Inzwischen kannte er auch Magdeburg, aber Berge hatte er noch nie gesehen. Die Bilder in dem Magazin vermittelten ihm den Eindruck eines mächtigen Gebirges mit hoch aufragenden Felsen und gefährlichen Abgründen. Dass es an den Renntagen im Juni auch noch wie aus Kübeln gegossen hatte, mochte den Schwierigkeitsgrad weiter erhöht haben.
Was für Männer waren das, die solche Rennen fuhren!
Fast wäre Fritz wieder ins Träumen geraten, wenn nicht die Hupe vor der Zapfsäule erklungen wäre. Hurtig sprang er auf und füllte den Tank des schnittigen Bugatti, dessen Fahrer, sehr jung, sehr gut gekleidet, einige höchst lobende Worte über sein Automobil verlor. Das war allerdings doch eine andere Klasse als die Tin Lizzy, stellte Fritz bewundernd fest. Und begann wieder zu zweifeln.
Als der Wagen mit dröhnendem Motor davongefahren war, wurde es Zeit, zur Sammelstelle zu gehen. Er meldete sich bei Charlie ab und eilte zum Staatsbürgerplatz, um sich in seine Dienste einweisen zu lassen. Dieselben jungen Mechaniker hatten sich eingefunden, bekamen ihre Aufgaben zugewiesen und mussten zeigen, dass sie fix und gründlich ein Automobil untersuchen konnten. Fritz wurde der Reifenstation zugeteilt und musste die Ersatzreifen nach Marken sortieren und aufstapeln. Als er damit nach einer Stunde fertig war, fand sich Zeit für die Fachsimpelei. Wieder wurden heimlich Wetten abgeschlossen, und als einer vehement für den Delahaye votierte, wäre Fritz beinahe herausgerutscht, dass der ja bereits aufgegeben hatte. Im letzten Moment besann er sich aber darauf, dass er mit seinem von Nelly erworbenen Wissen einen deutlichen Vorteil gegenüber den Kameraden hatte, und hörte einfach nur stillvergnügt den leidenschaftlichen Diskussionen zu.
Auch übermorgen, wenn die Fahrer auf dem Weg nach Magdeburg waren, konnte er noch seinen Einsatz machen. Bugatti oder Ford T?
Man würde sehen.
Und um drei Uhr aufstehen, um Nelly wieder abzuholen.
Selbst wenn es ihn am Folgetag wieder ein Ohr kosten würde.
29. ANKUNFT IM DOM-HOTEL
Ritsch, ratsch, de Botz kapott,
de Botz kapott, de Botz kapott!
Ritsch, ratsch, de Botz kapott,
de Botz kapott, de Botz kapott!
Kölner Funkenmarsch von Adolf Metz,
Besitzer des Dom-Hotels
N atürlich hörte ich, wie die Wagen von Mitternacht an starteten, aber ich packte mir das dünne Kopfkissen über die Ohren und versuchte, wieder einzuschlafen. Es war zugig und kalt in der Baracke, aber als die Kavalkade zu ihrer Nachtfahrt aufgebrochen war, wurde es erschreckend still. Geraldine war mit ihnen gefahren, ohne sich von mir zu verabschieden. Unser Verhältnis war ebenfalls der Nachtkühle zum Opfer gefallen, befürchtete ich. Dabei war mir gar nicht klar, was das bewirkt haben sollte.
Ich schlief dennoch ungestört bis zum Morgengrauen, fand nur noch die Mechaniker vor, die ihre Ersatzteile und Werkzeuge verpackten. Im Küchenzelt aber werkelten wieder die Bäuerinnen, wuschen Töpfe und Geschirr ab
Weitere Kostenlose Bücher