Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
geplaudert hatte, wurde plötzlich verlegen. Schon so oft hatte er davon geträumt, Nelly einen Gutenachtkuss zu geben, aber irgendwie traute er sich nicht.
»Frollein … ähm … Nelly …?«
»Ja, Herr Fritz?«
»Wann ham Sie morgen Dienst?«
»Wieder die gleiche Schicht. Die ganze Woche noch, dann habe ich Samstag und Sonntag frei und ab Montag Frühschicht.«
»Nelly, ick meene … also wejen dem Sonntag …«
»Man könnte mal im Park bummeln gehen, wenn das Wetter hält.«
»Ja, ja, det könnte man. Oder bei Schustern ’nen Kaffe trinken, vielleicht?«
Nellys Augen blitzten im Schein der Straßenlaterne.
»Könnte man auch.«
»Ja … ja, dann gute Nacht.«
»Gute Nacht, Fritz.«
Und dann drückte sie ihm ein ganz schnelles Küsschen auf den Mund und huschte in den Hauseingang.
Fritz blieb wie versteinert stehen. Dann leckte er sich die Lippen so gründlich, dass sich Molle daran noch ein Beispiel nehmen konnte. Leicht benommen wankte er schließlich nach Hause, fiel trunken vor Glückseligkeit ins Bett und versank in himmlische Träume.
»Fritz, das Blech haste gleich gradegeklopft«, sagte Charlie, und in seiner Stimme kollerte ein Lachen. »Hast wieder an Nelly gedacht, wat?«
»Mhm. Ja.«
»Kannste machen, aber denk auch an deine Pflichten.«
Fritz nickte, dann fiel ihm wieder ein, was er fragen wollte.
»Charlie, sach ma, kann een Schlauch anjefressen werden, wenn er im Mantel steckt?«
»Wie kommste denn darauf?«
»Bei dieser Rallye, da soll so wat passiert sein.«
»Sabotage?«
»Könnt doch sein.«
»Lass mal überlegen. Ah ja.« Charlie zog einen alten Schlauch aus dem Abfall und legte ihn auf den Tisch. »Der ist geplatzt, hier. War ein Scherben im Reifen. Kein Cord, ein normaler. Das gibt so einen ausgefransten Rand. Aber Gummi kann man auch anders kaputt machen. Hab ich mal erlebt. Da ist mir eine Flasche Lösungsmittel ausgelaufen.«
Charlie holte die Terpentinflasche von Bord und goss etwas davon auf den Schlauch. Es tat sich aber zu Fritz’ Enttäuschung nichts.
»Lassen wir das mal so ein paar Stunden liegen. Aber pass auf, dass Molle nicht die Pfoten da reinsteckt.«
Fritz nahm den Schlauch und steckte ihn unter einen öligen Lappen. Die mochte Molle überhaupt nicht. Dann machte er sich daran, den ausgebeulten Kotflügel zu lackieren.
Und träumte beim zärtlichen Pinseln noch ein bisschen von Nelly.
DRITTE ETAPPE:
KÖLN – SENNELAGER
35. VERLUSTE
Hush, hush, time to be sleeping.
Hush, hush, dreams come a-creeping.
Dreams of peace and of freedom,
so smile in your sleep, bonny baby.
Traditional
M ac hatte in der Nacht seine schwarzen Gedanken noch eine Weile gewälzt, dann aber war Hans kurz nach Mitternacht zurückgekommen und hatte einige Neuigkeiten mitgebracht.
»Haben deine proletarischen Freunde etwas zu den Reifenpannen zu sagen gehabt?«
Hans schnaubte.
»Es waren andere Themen wichtiger, und ich wollte den Fluss der Beschwerden nicht unterbrechen.«
»Wer beschwerte sich?«
»Vor allem Adolph Müller, der Beifahrer von Thalheimer. Nicht nur, dass der Bonze so fett ist, dass Adolph kaum atmen kann, wenn er neben ihm sitzt, der Kerl schiebt ihm für jeden seiner Fahrfehler die Schuld in die Schuhe. Ich habe mal so ein ganz klein wenig die Richtung auf Thalheimers Vergangenheit gelenkt, Mac. Und da stinkt ein bisschen was.«
»Jemand, der sich eine solche Speckschwarte angefressen hat, hat in den Nachkriegsjahren nicht Hunger gelitten.«
»Dachte ich mir auch schon. Adolph ist sein Chauffeur seit zweiundzwanzig. Das war die Zeit, als hier die Billiarden verbrannt wurden. Zu der Zeit hat Thalheimer seine Firma aufgemacht.«
»Mit seinen Billiarden?«
»Er muss Kapital gehabt haben, und ich frage mich, woher. Denn während des Krieges war er Angestellter von Bayer-Leverkusen, wo er im Bereich Kunstkautschukreifen tätig war.«
»Na, die Rezeptur und das Herstellverfahren hat er dann ja offensichtlich gut genug gekannt, um damit eine eigene Fertigung aufzumachen.«
»Industriespionage?«
»Möglich. Oder er hat die Rechte daran billig erworben. Seit Naturkautschuk wieder billig zu haben ist, interessiert keinen das Kunstprodukt. Es sei denn, er hätte große Verbesserungen daran vorgenommen.«
»Haltbar waren die Reifen«, sinnierte Hans.
»Solange es nicht zu kalt wurde.«
»Er scheint zumindest einigermaßen erfolgreich mit seinem Unternehmen zu sein – der Benz ist das neueste Modell und eine teure Karosse.«
»Leistungsstark und
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