Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
wissen.
»Selbstverständlich ist das gut!«, antwortete Derrick. »Schließlich muss die Ernte verteidigt werden. Als der Scheuch die Macht im Königreich übernahm, hatten wir noch den Holzpflug, hinterlassen hat er uns eine fortschrittliche Landwirtschaft! Deshalb hat Horrore Graus unrecht, wenn er den Scheuch tadelt! Außerdem ist er selbst kein Unschuldslamm! Als großer Liebhaber vom Mais – den armen Scheuch hat er ja auch mit einem Kolben erschlagen, den er zuvor in den Absud des Roten Keulenkopfs getunkt hatte – verlangte er, diese Pflanze überall anzubauen, selbst in Gegenden, wo sie nicht gedeihen konnte. Dann hegte er eine widernatürliche Leidenschaft fürs Feuer, ganz im Unterschied zum Scheuch, der Feuer panisch fürchtete! Niemand wird je vergessen, wie Horrore Graus eine Ausstellung kunstvoller Strohflechtarbeiten besuchte, in Wut geriet und befahl, alles den Flammen zu übergeben!«
»Kleinkram!«, gähnte Iibeem. »Dem Vergleich mit dem Scheuch hält Horrore Graus kaum stand!«
»Er hat nie auf seine treuen Berater gehört!«
»Das tut kein Herrscher«, entgegnete Iibeem.
»Er hat die Geheimwache im Königreich eingeführt!«, fuhr Derrick fort. »Die aus den dümmsten und miesesten Untertanen bestand. Er hat sich mit den Königen und Herrschern aus den Nachbarländern überworfen …«
Trotz aller Bemühungen vermochte Derrick Iibeem am Ende nicht zu überzeugen. »Befriedigend. Du hast keinen schändlichen Missetäter beschrieben, der den Beinamen Horrore Graus verdient, sondern einen törichten Hysteriker.«
»Das war Absicht!«, rechtfertigte sich Derrick. »Man darf dem Volk nicht sagen, dass bereits der zweite blutrünstige Tyrann in Folge an der Macht ist. Da muss man etwas Abwechslung in die Geschichte bringen!«
»Gut gedacht, schlecht gemacht«, urteilte der Dekan gnadenlos. »In dem Fall hättest du aus Horrore Graus wirklich eine Witzfigur machen müssen. Beispielsweise indem du behauptest, er habe immer mit dem Schuh auf den Tisch gehauen, wenn ihm etwas nicht passte. Noch dazu mit einem, der längst aus der Mode war. Aber so gibt es nur ein Befriedigend!«
»Das ist ungerecht! Trix konnte aus dem Vollen schöpfen, ich nicht!«, brauste Derrick auf. »Wir haben nicht unter den gleichen Bedingungen gekämpft!«
»Jammer nicht rum, das Leben ist nun einmal ungerecht«, fuhr ihn Iibeem an. »Tiana, du bist dran! Trix, du kannst aufstehen! Derrick, leg dich aufs Brett!«
Zu Trix’ Genugtuung zahlte Tiana es Derrick richtig heim. Zunächst vergoss sie falsche Tränen und behauptete, der altersschwache Herrscher sei unter der Last seiner Orden und Medaillen, mit denen er sich selbst ausgezeichnet habe, zusammengebrochen. Dann lobte sie Horrore Graus, auch wenn sie auf etliche seiner Fehler verwies, um anschließend den Scheuch zu verdammen. (Der Dekan versicherte, ein solcher Wechsel sei in der Tat die optimale Taktik. Man müsse einen Herrscher in Grund und Boden stampfen und dem Volk freie Hand lassen, ihn zu beschimpfen, sich dann aber zurückhaltend über den nächsten äußern, durchaus einige gute Eigenschaften von ihm erwähnen, um schließlich erneut einen Eimer Kritik auszuschütten und so weiter und so fort, bis in alle Ewigkeit.)
Nach diesem Vorspann knöpfte sich Tiana Derrick vor. Sie rieb ihm zahllose Fehler unter die Nase, von Eitelkeit bis Altersschwäche. Dennoch reichte auch sie nicht an Trix heran, die Schandtaten des Scheuchs übertrafen alles.
»Was lernen wir aus dieser Stunde?«, fragte Iibeem, nachdem er Tiana mit einem maßvollen Lob entlassen hatte. »Erstens: Ihr alle seid imstande, die Mächtigen dieser Welt mehr oder weniger gut zu beschimpfen. Bestens. Vermutlich macht sich hier eure adlige Herkunft bemerkbar, denn welcher Aristokrat verhöhnt nicht gern einen anderen Adligen, der in Ungnade gefallen ist.«
Prompt warf Derrick Trix einen finsteren Blick zu.
»Zweitens: Das Salz jeder Verhöhnung sind Auslassungen, Übertreibungen und Verdrehungen. Hat euer Feind auch ein paar gute Taten vollbracht, verschweigt diese! Betont dagegen jeden seiner Fehler! Trix zum Beispiel hat es auf hundert Millionen Tote gebracht, die unser ausgedachter Herrscher auf dem Gewissen hat. Das reicht längst nicht! Er hätte von Abertausenden von Millionen sprechen sollen! Verlangt jemand Beweise, fordert eurerseits einen Beweis, dass es nicht Abertausende von Millionen waren! Unser Herrscher hat gegen die Zwerge gekämpft? Oh nein, er hat nicht einfach gegen sie
Weitere Kostenlose Bücher