Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Möglichkeiten, vom Besen aus zu kämpfen, kamen aber überein, es sei zu gefährlich, denn jeder Bogenschütze könnte sie mühelos abschießen. Noch leichteres Spiel hätte ein Zauberer. Alchimisten könnten sie mit ihren Feuerwerken bezwingen oder leichte, papierne Ballons mit heißer Luft auf sie abfeuern. Und was, wenn ein Drache angriffe? Dann hätte ein Besenflieger nicht die geringste Chance.
Tiana brachte die kluge Idee vor, man könne doch Besenkuriere einsetzen. Briefe und kleine Päckchen wären schnell (wenn auch für teures Geld) ausgetragen, alte und invalide Menschen bekämen durch die Luft ihre Almosen, Nachrichten ließen sich von Stadt zu Stadt bringen …
»Nur bocken da die meisten Besen«, antwortete Trix. »In der Vergangenheit war dergleichen weit verbreitet, doch heute haben sich die Zaubersprüche abgenutzt!«
»Und Iibeem? Er hat unsere Besen doch auch mit einem Zauber belegt!«
»Er ist eben ein großer Magier«, meinte Trix bloß. »Wenn auch ein seltsamer. Ihn umgibt ein Geheimnis.«
Irgendwann hattten sie die schwarzen Felsen hinter sich gelassen und flogen über die Wüste dahin, über endlose Fest- und Wanderdünen, über gelben und weißen Sand und manchmal über ein paar Sträucher, deren Wurzeln tief in den Boden bis zum Wasser reichten. Oasen entdeckten sie nicht.
Mit der Zeit strengte der Flug sie immer mehr an. Trix spielte bereits mit dem Gedanken, auf alle Schicklichkeit zu pfeifen und den Damensitz zu versuchen, doch auch Tiana wirkte genervt und wäre sogar einmal fast vom Besen gerutscht.
»Es reicht!«, rief Trix schließlich. »Keine Ahnung, welcher Dummkopf sich Flugbesen ausgedacht hat – aber auf diesen Dingern verrecken wir noch! Was gäbe ich für ein Kamel! Das könnte ich so verzaubern, dass es uns schnell wie der Blitz nach Dachrian bringt!«
Die drei gingen einvernehmlich tiefer und ließen sich erleichtert auf den Boden fallen.
»Nie wieder steige ich auf einen Besen!«, sagte Tiana. »Reiten – ja! Zu Fuß – ja! Kriechen – ja! Aber nie wieder auf so einem Feger!«
»Wir brauchen ein anderes Fortbewegungsmittel«, meinte Trix.
»Und woher nehmen?«, höhnte Derrick.
»Immerhin bin ich ein Zauberer! Da werde ich eins zusammenzaubern. Nur«, Trix seufzte, »muss es ungewöhnlich sein, denn alle gewöhnlichen Fortbewegungsmittel wurden schon viel zu oft erschaffen. Da klappen die Zaubersprüche nicht mehr.«
»Außerdem brauchen wir es schnell«, bemerkte Tiana. »So heiß, wie es hier ist.«
Die Sonne sengte in der Tat immer stärker.
»Wie wär’s mit einem mechanischen Pferd?«, fragte Derrick.
»Das gab’s schon.«
»Ein Pferd aus Sand?«
»Das hat auch schon mal jemand versucht«, murmelte Trix.
»Aus Knochen? Oder aus Holz?«
»Nein, es muss wirklich außergewöhnlich sein«, beharrte Trix. »Pferde, Ochsen und Esel – all das hat es schon gegeben. Sogar riesige Renngrillen. Außerdem haben wir kein Holz, von unseren Besen abgesehen. Und Knochen? Auch nur unsere eigenen.«
»Was ist mit einem Wagen?«, brachte Tiana scheu vor.
»Den gab’s auch schon«, erwiderte Trix. »Und wie willst du den auch zusammenbauen? Der Sand würde nicht halten!«
»Aber im Sand gibt es doch Eisen«, dachte Tiana laut nach. »Zumindest in kleinen Mengen. Und unter dem Sand liegt wahrscheinlich Lehm …«
»Mhm«, brummte Trix. »Trotzdem haben sich schon zu viele Zauberer an einem Wagen versucht! Diese Magie ist erschöpft!«
»Aber ihre Wagen sollten sich magisch vorwärtsbewegen«, hielt Tiana dagegen. »Was, wenn du den Wagen bloß mit Magie schaffst, er sich aber auf andere Weise fortbewegt?«
Die Idee ließ Trix sich durch den Kopf gehen. Ein Wagen, der durch Magie geschaffen wurde, konnte tatsächlich auch aus nicht-magischen Gründen fahren. Man denke nur an jenen Fall, in dem eine gute Fee (sofort fiel ihm Annette ein und er seufzte) Mitleid mit einer armen Spülmagd hatte und ihr aus Scheuerlappen ein Kleid und aus Kürbissen eine prachtvolle Kutsche schuf, vor die sie Pferde spannte, bei denen es sich um umgezauberte Mäuse handelte. Damit konnte die junge Frau einen Wohltätigkeitsball zum Neuen Neuen Jahr besuchen und dort einen Prinzen betören. Dem König wollte diese unstandesgemäße Heirat jedoch nicht schmecken, und er überzeugte die Magd, sich mit einer Schenke und fünf Goldtalern im Jahr zu begnügen. Als der Prinz nach dieser Geschichte wieder einigermaßen klar zu denken vermochte, wandelte er sich nachgerade zu einem
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