Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Sauerampfer tauchte auf.
Er trug einen alten Hausumhang und hatte sich ein feuchtes Tuch um die Stirn gewickelt. Auf seinem Gesicht spiegelte sich ein derart leidvoller Ausdruck wider, dass Tiana erschrocken aufstöhnte, während Trix sich am liebsten hinter seinem Besen versteckt hätte. Ganz offenkundig hätte Sauerampfer nach dem Magierkapitel ein paar Tage der Ruhe bedurft.
»Was für ein I.B.M.?«, polterte Sauerampfer, den Blick fest auf Trix gerichtet. »Was für eine Ehrenschuld? Was soll das heißen, mit Bedacht zaubern ? Als ob du überhaupt dazu imstande wärst, du vermaledeiter Initiaticus!«
»Äh … also …Was meint Ihr … Lehrer?«
»Ich rede von deinem Brief! Als ich in den Turm zurückgekommen bin, hatte ich nur einen Wunsch: etwas Ruhe und Frieden! Doch du warst wie vom Erdboden verschluckt! Und hast mir nur einen wirren Brief dagelassen! Also – was für ein I.B.M.?«
»Das ist der Lehrer Iibeem, der Dekan in der Schule Verborgene Natter !«, erklärte Tiana. »Wie schön, Euch zu sehen, Zauberer Sauerampfer!«
»Meine Verehrung, Eure Durchlaucht …« Sauerampfer verrenkte sich ächzend zu einer Verbeugung. »Verzeiht, dass mein Schüler Euch in diese Sache hineingezogen hat!«
»I.B.M., das ist der Drache Ilin Badulla Mumm…« Im letzten Moment hielt Trix inne und sprach den geheimen Namen des Drachens nicht ganz aus. »Also der Drache … der Dekan … Der Dekan ist der Drache!«
»Was für ein Drache? Was für ein Dekan?«, stöhnte Sauerampfer. »Womit wollt ihr mich eigentlich noch quälen?«
»Mit einer Sphinx«, hauchte Trix.
»Mit einer Sphinx«, echote Sauerampfer. »Verstehe. Halten wir also erst mal fest: Ich bin in Samarschan. Und jetzt: Was ist geschehen? Ich habe dich kaum finden können, das Ziel hat sich irgendwie geteilt.«
»Es hat sich geteilt, weil ich mittlerweile in doppelter Ausführung vorliege.«
»Mhm«, brummte Sauerampfer. »Wo ist diese Sphinx?«
»Hinter Euch.«
Radion Sauerampfer drehte sich langsam um und starrte die Sphinx an. Die hüstelte und stellte dann klar: »Ich warte noch immer auf die Antworten auf meine Frage.«
»Welche Frage?«, wollte Sauerampfer wissen.
»Was ist der Sinn des Lebens, der Schlüssel des Universums …«, setzte ihn Trix ins Bild.
»Und die wievielte Frage ist das?«
»Die dritte!«
»Verstehe. Du hast es mal wieder bis zum Äußersten kommen lassen.«
»Hör mal zu, Zauberer!«, brüllte die Sphinx. »Ich verhandle mit den beiden. Also halt den Mund!«
Radion Sauerampfer verkniff sich jede Erwiderung.
»Vergiss nicht, ich bin ein monströses, unmagisches Wesen! Mit deiner Zauberkraft jagst du mir keinen Schrecken ein!«
»Nicht?«, fragte Sauerampfer in arrogantem Ton.
»Ich bin eine Sphinx! Ich bin eine Ausgeburt des menschliches Genies und Wahnsinns! Ich bin der reine Intellekt, jeder Emotion abhold! Ich weiß alles, ich …«
»Eine kühne Behauptung«, warf Sauerampfer ein. »Dann sag mir doch mal, wie der Taler im nächsten Jahr zum Dinar steht?«
»Hier stelle ich die Fragen!«
»Mit welchem Recht?«
»Mit dem Recht der Stärkeren und der Hungrigeren!«
»Aber ich bin stärker als du!«, behauptete Sauerampfer.
»Deine Magie kann mir nichts anhaben!«
»Vielleicht nicht direkt«, stimmte Sauerampfer ihr zu. »Aber dieser Felsbrocken, den meine Magie vom Rand der Schlucht reißen kann, damit er dir auf den Schädel knallt, der schon!«
Daraufhin riss er einen Arm hoch – und eine kleine Wolke aus Staub und Schotter, die von nach unten stürzenden Steinen aufstieg, wirbelte durch die Luft.
»Autsch!«, jammerte die Sphinx, die ein Stein von der Größe einer stattlichen Melone am Kopf getroffen hatte. »Hör auf! Das ist gegen die Regeln!«
»Welche Regeln?«, fragte Sauerampfer süffisant. »Dieses Spiel kennt keine Regeln. Und wenn die Mauern dieser Schlucht jetzt zusammenfahren, dann bleibt von dir rein gar nichts mehr übrig!«
»Magie schadet mir nicht!«
»Auf direktem Wege nicht, das stimmt. Aber mittelbar … Wie sieht’s aus? Möchtest du noch ein Weilchen weiterleben?«
»Ja.«
»Dann aus dem Weg!«
»Wir brauchen eine Antwort auf eine Frage!«, sagte Trix.
»Und antworte dem Jungen!«, verlangte Sauerampfer.
»Dafür müsste ich wenigstens auf eine meiner Fragen eine richtige Antwort erhalten«, stellte sich die Sphinx stur. »Das verlangen die Regeln.«
»Gut. Du willst wissen, worin der Sinn des Lebens besteht? Der besteht darin zu leben. Oder siehst du das etwa
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