Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
durfte sich die ganze Zeit allein mit Trix und Hallenberry unterhalten (während sie Tiana hartnäckig ignorierte, was diese mehr und mehr erboste).
»Das Gebäude da ist das städtische Krankenhaus«, erklärte sie. »Wir Gnome kennen nur acht Krankheiten plus eine, über die aber nicht laut geredet wird. Es sind Rheumatismus von der Feuchtigkeit, Arthritis von der schweren Arbeit in den Stollen, Silikose durch die staubige Luft, Magenverstimmung durch einseitige Ernährung, Blindheit aufgrund der matten Beleuchtung, Muskelschwäche und Krämpfe vom Mangel an Sonnenlicht sowie Furcht in geschlossenen Räumen und großen, offenen Räumen.«
»Und die neunte?«, fragte Trix, während er den Blick auf das kleine Krankenhaus gerichtet hielt.
Gruja zögerte, antwortete dann aber trotzdem. »Bartschuppen. Das ist eine ziemlich unangenehme Krankheit.«
Die anderen Zwerginnen blickten zunächst verlegen zu Boden, eine kicherte sogar, am Ende nickten aber alle bestätigend.
»Und da tagt der Rat der Ältesten.« Gruja wies auf das beeindruckende Haus aus weißem Stein gleich neben dem Krankenhaus. »Wir haben es bewusst neben dem Krankenhaus gebaut, damit die betagten Weisen schneller die Hilfe erhalten, die sie benötigen. Wir werden bereits erwartet.«
»Wirklich?«, fragte Trix. »Aber woher wissen sie …?«
Gruja zeigte ihm eine winzige Kristallkugel, die in einem feingearbeiteten Beutel steckte, der aus zartem Silberfaden gewebt und mit Edelsteinen besetzt war. »Das habe ich den Greisen damit mitgeteilt. Nicht ein Zwerg in unserer Stadt verlässt das Haus ohne seine kleine Kugel.«
Trix sah die Zwergin neidvoll an. Radion Sauerampfer hatte versprochen, ihm seine alte Kristallkugel zum Abschluss des ersten Ausbildungsjahrs zu schenken, natürlich nur, falls Trix sich tüchtig ins Zeug legte. Die Kugel taugte jedoch bloß für kurze Entfernungen, strahlte derart viel magische Energie aus, dass sie in der Hand ganz heiß wurde, wenn man sie benutzte, und hielt lediglich eine halbe Stunde durch, danach musste sie sich einen Tag lang regenerieren. Darüber hinaus war das Kristall von minderer Qualität, weshalb die Bilder nur in Schwarz-Weiß waren und der Ton zu wünschen übrig ließ. Trotzdem begehrte Trix sie inständig. Was ist ein echter Zauberer schließlich ohne Kristallkugel?!
Und dann das! Diese totgeglaubten Wüstengnome besaßen jeder mindestens eine! Es konnte gar nicht anders sein – sie mussten das Zaubern gelernt haben! Und ihr Können an Abrakadasab weitergegeben haben!
»Gehen wir!«, trieb Gruja ihn an. »Wir sollten die Greise besser nicht warten lassen. Sonst schlafen sie noch ein.«
Bei dem Wort »einschlafen« musste Trix selbst unwillkürlich gähnen, denn auch er war bereits rechtschaffen müde. Dieser Schwäche durfte er jedoch nicht nachgeben. Wo sich sogar der kleine Hallenberry noch auf den Beinen hielt. Was hatte Sauerampfer doch gleich gesagt? Heroismus und Selbstaufopferung gehören für einen Zauberer zum Alltag!
»Dann lasst uns reingehen!«, sagte Trix entschlossen.
»Aber Klaro soll vorgehen«, bat Gruja etwas verlegen.
»Warum das denn?«, fragte Trix.
»Um auf die Ältesten einen guten Eindruck zu machen! Weshalb denn wohl sonst?!«
5. Kapitel
Warum ein Mensch einem anderen gefällt, ist ein Geheimnis, das noch kein Zauberer oder Weiser, ja, noch nicht einmal ein Samarschaner Markthändler zu enthüllen vermochte. (Und die Händler haben wahrlich eine gewisse Kunst darin entwickelt, anderen zu gefallen, das kann jeder bestätigen, der schon einmal mit der Absicht, eine Handvoll Rosinen zu kaufen, auf den Basar gegangen ist – und mit zwei Melonen, einer Tüte Kaki-Früchten und einem Bund Wurzelgemüse für die Suppe zurückgekehrt ist, während für die Rosinen das Geld leider nicht mehr reichte.)
Noch rätselhafter ist, warum ein Mensch einem Nicht-Menschen gefällt. Elfen haben bekanntlich ein gutes Verhältnis zu Menschen, die auf einem Auge schielen. Und das ist nicht durch den Aberglauben zu erklären, Menschen mit einem kleinen körperlichen Makel brächten Glück, denn auf Taube, Einarmige oder Pockennarbige erstreckt sich ihre Vorliebe nicht. Minotauren dagegen lieben Pfeffer- und andere Gewürzhändler. Dies lässt sich zumindest teilweise erklären, behaupten Minotauren doch, gegrillte Gewürzhändler seien eine besondere Delikatesse.
Warum Gruja Hallenberry so mochte, blieb Trix ein Rätsel. Zunächst vermutete er, Zwerge würden einfach alle Kinder
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