Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
lieben, vielleicht wegen ihrer unverfälschten Art, vielleicht wegen ihrer geringen Größe. Gerade Letzteres leuchtete Trix ein. Doch Sauerampfer hatte ihnen Hallenberry mitgegeben, weil er eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Klaro und Abrakadasab sah. Aber was sollte einen kräftigen, groben, schlecht erzogenen Wüstenanführer mit einem aufgeweckten kleinen Jungen verbinden?
Wie auch immer, jedenfalls betrat Hallenberry an Grujas Seite als Erster das Gebäude. Ihnen folgten Trix und Tiana, dann die anderen Gnominnen, die ihre Helme abgenommen, sich die Bärte geglättet und die Hacken geschultert hatten. Das Ganze mutete wie eine Mischung aus Ehrengeleit und Bewachung an (wobei Trix lieber von der ersten Variante ausging).
Hatte das Gebäude von außen noch recht schlicht gewirkt, so überwältigte die Ausgestaltung des Inneren. Den weißen Marmorboden zierte ein erstaunlich feines Mosaik, an den Wänden funkelten Edelsteine, die über Tage jeder Königskrone zur Ehre gereicht hätten; über die Decke zogen sich feingeschnitzte Reliefs, die Szenen aus dem arbeitsreichen Alltag und gnomische Großtaten in verschiedenen Schlachten darstellten. An den Wänden standen funkelnde Statuen aus Stahl, Bronze und seltenen Metallen. Sie hielten Hacken in den Händen und verfolgten die Prozession mit dem aufmerksamen Blick ihrer Glasaugen. Die sagenumwobenen gnomischen Golems!, dachte Trix. Vielleicht bin ich ja einer der ersten Menschen, der diese mechanischen Diener und Krieger, von denen es einer allein mit einer ganzen Truppe aufnehmen kann, zu Gesicht bekommt.
Trix wusste natürlich bestens, dass die Zwerge Meister in der Stein- und Metallbearbeitung sowie in Feinmechanik waren. Aber es ist eine Sache, etwas zu wissen, eine andere, es mit eigenen Augen zu sehen. Wie unterlegen die Menschen den Zwergen doch in diesem Bereich waren! Bislang verhinderte nur die Tatsache, dass Zwerge nicht zaubern können, ihren Griff nach der Weltherrschaft. Was, wenn diese Wüstengnome es tatsächlich gelernt hatten?
Da riss Grujas Stimme ihn aus seinen Überlegungen. »Gäste von oben!«, erklärte sie, kaum dass sie in den Saal eintraten, in dem der Rat der Ältesten tagte. Hier herrschte der pure Luxus. Edelsteine, Skulpturen, Mosaiken, Intarsien, Glasmalerei, Flach-, Hoch- und Tiefreliefs entzückten das Auge. Das Mobiliar reichte von einem herrlichen Thron, auf dem offenbar der älteste Obergnom saß, bis zum Hocker für einen anderen Greis und war über und über mit Einlegearbeiten verziert. Es gab sogar große Fenster, durch die ein Licht hineinfiel, das auf den ersten Blick wie Sonnenschein wirkte!
Der Rat setzte sich aus sieben Zwergen zusammen. Anscheinend galt diese Zahl bei Gnomen wie bei Menschen als eine besondere. Der Greis auf dem Thron hatte einen Bart, der bis zum Boden reichte und sich in mehreren Ringen um seine Beine wand. Bei dem Gnom auf dem Hocker reichte der Bart dagegen nur bis zur Taille. Alle anderen trugen Bärte zur Schau, deren Länge irgendwo zwischen diesen beiden lag.
»Du hast uns drei Menschen angekündigt«, sagte der Gnom auf dem Thron. »Einen Höflichen, einen Klugen und Eine, die ein weißes Kleid trägt.«
Tiana schnaubte verächtlich.
»Und hier sind sie!«, rief Gruja.
»Dann begrüßen wir unsere verehrten Gäste«, sagte der Gnom. »Und bitten sie ihrerseits, den Ratsältesten zu begrüßen. Wer von uns ist das?«
»Nicht schon wieder ein Rätsel«, entfuhr es Trix.
»Guten Tag, verehrter Ratsältester«, sagte Hallenberry sofort – und wandte sich mit diesen Worten an den Gnom auf dem Hocker, der den allerkürzesten Bart hatte.
»Warum glaubst du, ich sei der Älteste?«, fragte dieser.
»Weil du der Bescheidenste bist«, antwortete Hallenberry. »Ein echter Herrscher sitzt nicht auf dem Thron, er zieht es vor, sich im Hintergrund zu halten. So macht es jedenfalls der Regent Hass.«
Trix hätte beinahe verblüfft aufgestöhnt. Hallenberry hatte recht! Das traf exakt auf den Regenten Hass zu. Und auch auf den Wesir Akhsogud. Ja, selbst der Mineralisierte Prophet Abrakadasab hatte bei der Theatervorstellung bescheiden inmitten seiner Krieger gesessen.
»Deine Meinung ist nachvollziehbar«, erwiderte der Gnom. »Wer von euch äußert sich als Nächster?«
Tiana, die es leid war, als Eine, die ein weißes Kleid trägt , die Statistin zu spielen, trat vor. »Ich begrüße dich, Ältester!«, sagte sie zu dem Gnom auf dem Thron. »Dein Bart ist der längste und ein Bart ist für
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