Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
siegen!«, echoten die anderen Gnominnen und schlugen mit den Pickeln auf ihre Harnische.
»Vielen Dank für alles, Gruja«, sagte Trix.
»Auch euch vielen Dank«, erwiderte Gruja. »Dir, Kluger, dir, Höflicher, und dir, Eine, die zuweilen ein weißes Kleid trägt! Ich habe schon immer davon geträumt, einmal ein weißes Kleid zu sehen!«
Nach diesen Worten stellte sich Gruja auf die Zehenspitzen und gab Trix einen kräftigen Kuss aufs Kinn. Dieser wurde verlegen. Doch da küsste Gruja bereits Tiana (die sich sogar hinunterbeugte, damit es für die Gnomin einfacher war) und Klaro.
»Geht jetzt«, verlangte Gruja und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Sonst überwältigen mich meine Gefühle.«
Die drei gingen durch die Tür. Dahinter lag in der Tat ein solider, großer, jedoch ziemlich niedriger Förderkorb. An einer Wand schimmerte zögerlich und mit einem Knistern ein Gaslicht auf. Dann gab es noch zwei Hebel. Über einem stand STADT, über dem anderen OBERFLÄCHE. Komischerweise waren diese Hebel verrußt, als hätte ein Rüpel sie mit Streichhölzern angekokelt.
»Wir werden ganz gewiss siegen!«, versprach Trix, dem ebenfalls Tränen in die Augen traten, was vielleicht daran lag, dass er so aufgewühlt war, vielleicht aber auch an dem Gas, das aus der Lampe strömte. Dann legte er ohne zu zögern den Hebel OBERFLÄCHE um.
Quietschend schloss sich erst die Gittertür des Korbs, dann auch die Stahltür, hinter der die Gnome standen. Irgendwo rauschte Wasser, rumorten Zahnräder.
Der Korb kroch langsam nach oben.
2. Kapitel
Am Abend desselben Tages näherten sich bei Einbruch der Dämmerung dem Zelt des armen Hirten Hamud (jeder Hirte, der weniger als einhundert Schafe und fünf Kamele besaß, galt in der Wüste als arm, musste er mit diesem kläglichen Viehbestand doch zwei oder drei Frauen und ein Dutzend Kinder ernähren) aus der Wüste drei erstaunliche Menschen: ein schlanker Jüngling mit guten, wiewohl sehr ernsten Augen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass er in seinen jungen Jahren bereits etliche Abenteuer erlebt hatte, aus diesen jedoch mit Würde und Erfolg hervorgegangen war; ein schmalerer Jüngling mit blondem Haar und so hübsch, dass Hamud ihn für ein Mädchen gehalten hätte, wäre nicht die Jungskleidung gewesen (die für ein Mädchen undenkbar ist). Ach, wie schade!, dachte Hamud sofort. Als Mädchen hätte er mir besser gefallen. Und schließlich ein Junge, der noch so klein war, dass er keine weitere Aufmerksamkeit verdiente. Als echter Nomade verneigte sich Hamud selbstverständlich vor den drei Unbekannten und befahl seinen Frauen, sauberes Wasser zu bringen, den Töchtern, Shubat, also die vergorene Kamelmilch, bereitzuhalten, und den Söhnen, ein Schaf zu schlachten, genauer, jenes schwarze Tier, das sich vor zwei Tagen das Bein verletzt hatte, als es in einen Zieselbau getreten war, und einfach nicht gesunden wollte. Obwohl die überraschenden Gäste hellhäutig und etwas zu sauber waren, sprachen sie ein so klares Samarschanisch, dass sie keine Fremdländer sein konnten. Nur der kleine Junge brachte kaum ein Wort heraus, rief bloß hin und wieder »Klaro« (was auch immer das heißen mochte). Diese Besonderheit klärte sich jedoch rasch, denn nach Auskunft des Jungen mit den guten Augen war der Kleine vom Kamel gerutscht und auf den Kopf gefallen; seitdem stimmte mit ihm etwas nicht. Weil Hamud wusste, dass Verrückte dem Höchsten gefällig sind – denn nicht ohne Grund hatte er diese des Verstandes beraubt und sie damit der Sorgen um die irdische Existenz entledigt –, fühlte er mit dem Jungen und befahl seinen jüngsten Söhnen, sich um ihn zu kümmern. Da das arme kranke Kind aus seinen Taschen aber eine schier unerschöpfliche Menge Halva, Karamell und anderer, teilweise unbekannter Süßigkeiten zutage förderte, scharten sich bald alle Kinder Hamuds um seine Matratze, ja, sogar die jüngste Frau ließ sich ab und an blicken.
Als echter Herr des Zeltes (mochte dieses auch klein und ärmlich sein) setzte sich Hamud neben die beiden Jünglinge ans Feuer, um sich, während die älteste Frau das Essen vorbereitete, mit ihnen zu unterhalten und Shubat zu trinken.
Da erfuhr er, dass die beiden Jünglinge von weit her kamen, aus der Nähe der Salzsümpfe. Dort hatten sie ihren Eltern Tag und Nacht geholfen, das Salz zu gewinnen, was auf eine höchst eigene Weise vor sich ging: Die Salzmacher badeten jeden Tag in den Sümpfen und trockneten anschließend in der
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