Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
dieser sich prompt in Positur warf. »Gut … junger Magier Trix Solier, du erhältst heute Abend Besuch.«
Dachrian war die erste Stadt in Samarschan, die Trix kennenlernte. Es gab zwar auch im Königreich Städte, die einst zu Samarschan gehört hatten, aber meist ließen die dort herrschenden Barone bei ihrem Amtsantritt alle orientalischen Bauten niederreißen, um ihre Königstreue zu unterstreichen. War der Baron selbst Samarschaner, legte er dabei besonderen Eifer an den Tag.
Wie jede Stadt, die mehr als ein Jahrzehnt zu überdauern gedachte, schützten auch Dachrian hohe Mauern. Außerhalb dieser Mauern lebten nur die allerärmsten Menschen. Doch anders als bei den Städten, die Trix kannte, unterschieden sich die Häuser innerhalb und außerhalb der Stadtmauern kaum voneinander. Die meisten waren ebenerdig, zweistöckige Bauten bildeten die Ausnahme. Und sie bestanden nicht aus Holz oder Stein, sondern aus Lehm, der in der Sonne getrocknet war. Die Gassen wanden und gabelten sich ohne jedes Prinzip, selbst Wasab runzelte hin und wieder die Stirn, wenn er den Weg wählte. Die wenigen Steinhäuser der Reichen, Mystiker oder Staatsbeamten lagen inmitten prachtvoller, grüner Gärten. Nur im Kern der Stadt lichteten sich die Bauten ein wenig, hatten die Gebäude gewaltige Türme und riesige Kuppeln.
Insgesamt überraschte die Stadt durch ihr Grün. Dazu muss man wissen, dass sich Dachrian zwischen zwei großen Flüssen erhob, die einst planlos durch die Wüste geströmt waren, heute jedoch durch die Stadt geleitet wurden und ein Netz aus Kanälen und Gräben speisten, ehe sie sich, trübe und stinkend, dafür aber um wertvollen natürlichen Dünger angereichert, auf die Felder ergossen. Im Schatten nicht sehr hoher Bäume kauerten Greise und kauten Tabak, in den Bewässerungsgräben tollten Kinder. Frauen buckelten Einkäufe vom Basar und Wasser aus den Brunnen nach Hause, Männer stolzierten mit immens wichtigem Gebaren durch die Straßen. Kamele sah man kaum, dafür stapften allenthalben vollbepackte Esel herum. Bauern schoben mit den Früchten ihrer Felder beladene Karren, Handwerker bauten sich mit ihren Bauchläden im Schatten auf und priesen ihre Waren überschwänglich an.
Trix sah sich auf seinem Kamel neugierig um, damit ihm ja nichts entging. Die Gerüche schockierten ihn nicht, in den Städten des Königreichs roch es schließlich auch nicht gerade nach Rosen. Selbst an Marcels Hof stieg einem ein abgestandener Duft in die Nase, sobald man in eine dunkle Gasse gelangte. Und hier wie dort gehörten Bettler zum Alltag.
Trotzdem war in Samarschan alles anders, selbst die Gerüche und die Armut. Die verfaulten exotischen Früchte legten ein starkes, würzig-süßes Aroma über das Grundodeur, Pfeffer und andere Gewürze setzten einen kühnen Akzent. Selbst die missgestaltetsten und dreckigsten Bettler achteten beflissen auf ihre Bärte, fast jeder wartete mit einem wertvolleren Stück in seiner Garderobe auf: ein kleiner Vagabund mit Schuhen, die Glasperlen zierten, ein Alter in zerschlissenem Mantel mit einem von Gold- und Silberfäden durchwirkten Turban, ein um den Verstand gebrachter Mystiker mit einem aparten Türkisarmreif an der tattrigen Hand.
Kurz und gut, in Samarschan nahm sich auch das, was eigentlich schrecklich und alptraumhaft war, exotisch und feierlich aus.
Trix hatte angenommen, ein angesehener Kaufmann wie Wasab Kurkum lebe im Zentrum Dachrians, in einem Palast mit zahllosen Gärten. Doch zu seinem Erstaunen kämpfte sich die kleine Karawane zum anderen Stadtende durch und hielt vor einem nicht sehr hohen Zaun an, hinter dem ein unscheinbarer Lehmbau lag. Wasab entlohnte die Soldaten, wobei er ein kräftiges Lamento auf das Leben allgemein anstimmte. Die Männer bleckten die Zähne zu einer Art Lächeln, klopften dem Kaufmann auf die Schulter, verbeugten sich ehrerbietig vor Trix und ritten mit den Ersatzkamelen davon. Die anderen Tiere trieb der Neffe bereits in den Hof.
»Sei Gast in meinem Haus!«, sagte Wasab feierlich zu Trix. »Mag es auch nicht so groß sein, wie es sich für einen großen Magier geziemt … ist es doch besser als nichts.«
Daraufhin betraten auch Wasab und Trix den Hof. Der Kaufmann schloss die Pforte auf der Stelle sorgfältig hinter sich ab. Der Hof war recht klein. Eine Seite nahm das Haus ein, an einer anderen verlief eine Mauer, die ihn vom Nachbargrundstück trennte. An der dritten Seite lagen der Stall für die Kamele und eine Kochstelle mit hohem
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