Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Lehmofen.
(Und falls noch unklar sein sollte, was sich an der vierten Seite fand: Dort erstreckte sich der Zaun, der den Hof von der Straße trennte, und die Pforte, durch die Trix eingetreten war.)
»Da bist du wieder, mein Liebster!«, rief eine füllige Frau von etwa vierzig Jahren, die ein schlichtes Kattunkleid und Pantoffeln an den nackten Füßen trug. Als sie Wasab entgegenstürzte, klimperten ihre zahlreichen, offenbar nicht sehr wertvollen Armreife, Ringe und Ohrringe. Nachdem sie ihren Mann leidenschaftlich geküsst hatte, richtete sie den Blick neugierig auf Trix. Sie strahlte übers ganze Gesicht. »Du musst gute Geschäfte gemacht haben! Wenn du sogar einen Sklaven aus dem Norden kaufen konntest!«
»Oh Weib, was redest du!«, entrüstete sich Wasab. »Wie kannst du einen ruhmreichen, jungen Magier, der sich freundlicherweise unserer Karawane angeschlossen hat, mit einem nichtsnutzigen Sklaven verwechseln! Trix, darf ich dir Gulin vorstellen, meine geliebte jüngste Frau!«
Trix verneigte sich höflich, verzichtete in Unkenntnis der hiesigen Bräuche jedoch auf einen Handkuss.
»Verzeih einer dummen Frau!«, bat Gulin mit verschämt gesenktem Blick. »Alle wissen um die weibliche Dummheit … da wird mir der ruhmreiche Magier doch nicht zürnen?«
»Nein, bestimmt nicht. Ich schätze mich vielmehr glücklich, die Lieblingsfrau des ehrwürdigen Wasab kennenzulernen.«
Eine peinliche Pause trat ein.
»Weißt du, Trix«, sagte Wasab schließlich und strich sich den Bart, »Gulin ist meine jüngste Lieblingsfrau. Aber wenn ich ehrlich sein soll, ist sie auch meine einzige Frau.«
Sofort entspannte sich Trix. Die Vorstellung, gleich mehreren Frauen Wasabs gegenüberzustehen, hatte ihm bis eben zugesetzt.
»Wer kennte nicht die Liebe, die da ist die größte Kraft der Natur!«, deklamierte er in bemüht orientalischer Redeweise. »Und so wollen zwei einander in Liebe zugetane Menschen sich mit niemand anderem teilen …«
»Wie kommst du denn darauf?«, fiel ihm Gulin ins Wort. »Welche Frau mit klarem Verstand würde sich gegen eine zweite Frau sperren? Dann müsste sie nicht mehr allein das Geschirr abwaschen, hätte Hilfe beim Kochen und der Erziehung der Kinder … von der Geburt ganz zu schweigen! Es wäre nicht so einsam im Haus, wenn der Mann mit der Karawane unterwegs ist, sie hätte eine Freundin, mit der sie plaudern und sich streiten könnte! Aber wir sind nicht so reich, junger Magier, dass wir uns eine zweite Frau leisten könnten!«
»Gulin …«, stieß Wasab in bittendem Ton aus.
Seine Frau winkte bloß ab, worauf ihre gesamte Kollektion von Armreifen klirrte, und verschwand ins Haus.
»Frauen!«, befand Wasab.
»Aber Ihr liebt sie doch sehr!«, tröstete Trix ihn.
»Stimmt.«
»Und wie viel Schmuck Ihr ihr geschenkt habt.«
»Das verlangt die Tradition«, erklärte Wasab. »Wenn ich mich einmal von ihr trennen sollte, darf ich sie nur mit dem aus dem Haus jagen, was sie am Leib trägt. Deshalb legen unsere Frauen ihren Schmuck nie ab.«
»Niemals?«, fragte Trix erstaunt zurück.
»Wenn du jung bist und deine Frau noch nicht so viel Schmuck besitzt, ist das sogar ganz romantisch«, sagte Wasab versonnen. »Mit den Jahren allerdings … Wie mir dieses Geklimper manchmal auf die Nerven fällt!« Er schüttelte den Kopf und fasste Trix beim Arm. »Gehen wir, mein hochwerter Gast, ich werde dir dein Zimmer zeigen.«
Das Zimmer war selbst für Trix’ Verhältnisse, der sich bei Sauerampfer an ein einfaches Leben gewöhnt hatte, bescheiden. Immerhin verfügte es über ein Fenster, das mit Gaze verhangen war, ein Bett mit einer erstaunlich weichen Matratze, die mit Gras oder mit Fell gestopft war, einen kleinen Tisch und einen Stuhl. Ein Mädchen, das noch keine zwanzig Jahre zählte, brachte einen großen Krug mit Wasser. Sie sah Trix neugierig an, kicherte und zog wieder ab.
»Wasch dich, erhol dich ein wenig und komm dann in den Hof, damit wir essen können«, forderte Wasab ihn auf. »Gefällt dir meine Tochter?«
Trix wurde verlegen.
»Falls du mit dem Gedanken spielst, dir eine Frau aus Samarschan zu nehmen, vergiss mich nicht«, legte ihm Wasab nahe. »Ich habe zwei Töchter und sie sind beide noch zu haben. Tarina ist meine ältere. Sie versteht sich vorzüglich auf Perlstickerei und ist eine meisterliche Köchin. Meine jüngste, Guhram, hat eine liebliche Stimme und lange Zöpfe.«
»Ich werde Euch wissen lassen, falls …«, murmelte Trix. Das Mädchen war ihm
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