Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Kräftige Hände legten sich auf die Schultern des Wesirs.
»Warum nur?«, jammerte der Wesir, während er vergeblich versuchte, sich der Umklammerung zu entwinden. »Warum tut ihr das, ihr Schakalssöhne? Ich habe euch angeheuert! Ihr kriegt mein Gold!«
»Ich danke dir für diesen Dienst, al Rustem«, wandte sich der Sultan an den Kommandanten. »Wie geht es deinem Töchterchen? Besser?«
»Danke, oh gütigster Sultan«, erwiderte der Kommandant. »Der Heiler hat ihr geholfen, habt nochmals Dank.«
»Und du, Gilym?«, sprach der Sultan einen älteren Soldaten an. »Steht dein Haus inzwischen?«
»Das tut es, oh gütigster Sultan«, sagte der Mann. »Meine Frau lässt Euch für den prachtvollen Teppich danken, den Ihr uns anlässlich des Einzugs geschenkt habt.«
Der Sultan ließ seinen Blick weiterschweifen, bis er auf dem sprachlosen Wesir haften blieb. »Man muss gut zu den Menschen sein«, erklärte er. »Gut.«
»Der Junge ist groß geworden«, platzte es aus Sutar heraus. »Nie hätte ich geglaubt, diesen Tag zu erleben. Aus dem Jungen ist ein Mann geworden! Ein echter Sultan!«
Abnuwas nickte. »Nimm es mir nicht übel, Sutar. Aber auch du wirst zum Wesir und zu dem Zauberer dazugepackt, denn alle wissen, dass ihr beide in meinem Namen regiert habt. Das ist nicht persönlich gemeint!«
»Ich habe nichts anderes erwartet«, sagte Sutar. »Schließlich bin ich nicht das erste Jahr bei Hofe.«
»Und den Zauberer nehmt auch mit!«, verlangte der Sultan von den Soldaten. »Vergesst nicht, ihn zu fesseln und zu knebeln! Und die Fürstin … bringt in meine Gemächer!«
Erst nach diesem letzten Befehl kam Trix wieder zu sich. Er machte sich die Angst der Soldaten vor dem fremdländischen Zauberer zunutze, die sie zögern ließ, ihn zu verhaften. Die meisten stürzten sich lieber auf Tiana, um sie in die Gemächer des Sultans zu eskortieren. »Ein unsichtbarer Schild wirft alle angreifenden Soldaten zurück!«, rief Trix spontan. Entsprechend war der Schild – der die Soldaten nicht fortschleuderte, aber immerhin ihr Vorrücken verlangsamte. Bevor sich die Soldaten durch diesen magischen Schutz kämpfen konnten, packte Trix Tiana bei der Hand und stürmte mit ihr zum Fenster. Ein Soldat bekam Tiana allerdings beim Arm zu fassen. Diese trat ihm daraufhin so gekonnt in den Bauch, dass der Soldat zu Boden ging.
»Wo hast du gelernt, so zuzutreten?«, fragte Trix, während er auf das niedrige Fensterbrett sprang und Tiana hochzog.
»In den Kursen zum Familienleben adliger Mädchen!«
Mit einem Tritt (der sich weit weniger professionell ausnahm als der Tianas) stieß Trix die Flügel des Buntglasfensters auf. Einige der bunten Scheiben zersprangen und flogen nach unten. Trix verfolgte ihren Flug.
Der tief ging.
Es gab zwar Zauber, die jene Kraft, mit der ein Mensch aus der Höhe fällt, vollständig abschwächen, doch waren sie schon derart häufig benutzt worden, dass sie kaum noch wirkten – wovon sich etliche Zauberer leider erst überzeugen konnten, als es zu spät war.
»Der Zauberer und die Fürstin fallen nach ihrem Fenstersturz entgegen jeder Erfahrung nicht zu Boden!«, improvisierte Trix daher, den Blick auf die Soldaten gerichtet. »Ihr Fallwinkel geht nicht senkrecht in die Tiefe. In sanfter Neigung gleiten sie in die Ferne, über den Garten und die Palastmauer hinweg, um dann weiter nach unten zu sinken, genau wie Kinder, die einen Schneeberg hinunterrutschen!« Da sich auf den Gesichtern der Soldaten plötzlich völliges Unverständnis spiegelte, verbesserte Trix sich rasch: »Genau wie bedauernswerte Reisende, die von einer flachen Sanddüne rutschen!«
Da nickten die Soldaten erfreut und Trix wagte – Tiana fest bei der Hand gepackt – den Schritt ins Leere.
Die beiden wurden auf den Rücken gedreht und schossen über die Bäume dahin, als sei in der Luft tatsächlich eine Sanddüne entstanden.
»Was steht ihr hier rum?«, erklang da die Stimme des allergütigsten Sultans. »Ihnen nach!«
»Doch für die Soldaten ist diese magische Rutschpartie nicht gedacht, so dass sie alle fallen!«, schob Trix sofort hinterher.
Sie hörten gellende Schreie.
»Ich habe es dir ja gesagt, Trix!«, rief Tiana. »Man darf Sultanen und Wesiren nicht trauen!«
»Stimmt!«, keuchte Trix, der gerade dem Ast eines besonders hohen Baums auswich.
»Wenn sie dich eingekerkert und mich dem Sultan zur Frau gegeben hätten, wäre das einzig und allein deine Schuld gewesen!«, fuhr Tiana fort.
»Dagegen
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