Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
ihnen bereits die Drachen an. Die meisten Tore in der Stadtmauer waren verriegelt und verschlossen, aber nicht bewacht. Trix fackelte nicht lange, wies mit einer Hand auf ein verrammeltes Tor und befahl: »Der Rost frisst die Nägel und zermalmt sie zu Staub, so dass die alten Bretter zu Boden fallen. Auch die Angeln trotzen ihm nicht und zerfallen zu Staub. Das Tor, das den Weg in die Freiheit versperrt, kracht schwer und widerwillig in sich zusammen …«
Das Tor krachte schwer und widerwillig in sich zusammen. Trix sah Tiana voller Stolz an.
»Du bist wirklich ein großer Zauberer«, sagte diese. »Ich habe noch nie gesehen, dass Bronzenägel rosten.«
»Also … im extremen Notfall …«, druckste Trix. »Komm!«
Vielleicht lachte ihnen das Schicksal, vielleicht waren die Soldaten durch die jähe Umverteilung der Macht und die schreckliche Beschreibung der Flüchtlinge aber auch so verunsichert, dass sie keinen großen Eifer bei der Verfolgung an den Tag legten – jedenfalls setzte ihnen niemand nach. Trix und Tiana fanden sich am Ende der Weide, die nun als Drachenplatz diente, wieder und machten sich auf den Weg zu Sua und seiner Familie.
Die Drachen mussten die Schreie der Herolde ebenfalls gehört haben. Oder sie hatten Magie angewandt, um sich über die Vorgänge ins Bild zu setzen, denn sie verhielten sich wesentlich stiller als beim letzten Mal und wichen höflich vor Trix und Tiana auseinander. Je näher die beiden dem Hügel kamen, desto leiser wurde es um sie herum. Hinter ihnen schloss sich die Drachenmenge sofort wieder zusammen. Als Trix sich einmal umsah, bemerkte er, dass sie von Hunderten von Drachen umzingelt und gleichsam eine winzige Insel inmitten von bunten Schuppen, funkelnden Augen, scharfen Krallen und gierigen Fangzähnen bildeten.
Behagen wollte Trix das nicht.
Sua erhob sich bei ihrem Erscheinen vom Boden und reckte den Hals vor. Der riesige Kopf schaukelte vor Trix hin und her, die Augen musterten den jungen Zauberer aufmerksam. Der etwas abseitsstehende Ilin winkte Trix erfreut mit der Pfote zu.
»Guten Tag, Sua Miroir Samid«, sagte Trix. »Guten Tag, Ilin.«
»Guten Tag, Zauberer Trix«, erwiderte Sua. »Ihr konntet gegen den MP nichts ausrichten.«
»Leider nicht.«
»Der Sultan hat die Macht übernommen«, fuhr Sua fort. »Und er zieht dem Krieg gegen Abrakadasab einen Krieg gegen die ganze Welt vor. Ob das eine weise Entscheidung ist, vermag ich nicht zu sagen.«
Trix nickte.
»Du und deine Freundin, ihr seid nicht länger die Freunde des Sultans und Samarschans«, hielt der Drache fest.
»Ändert das etwas an unserer Beziehung?«, fragte Trix.
»Nicht das Geringste. Es sei denn, der Sultan verlangt in seinem letzten Wunsch, dass wir dich gefangen nehmen.« Der Drache lächelte und entblößte seine Fangzähne. Tief in seinem Maul leuchtete ein winziges rotes Feuer.
»Ihr wollt uns doch nicht etwa versengen?«, fragte Tiana. »In Eurem Mund lodert ein Feuer, das …«
»Nein, du dummes Mädchen, das ist nur der Zünder. Der brennt immer«, polterte Sua. »Und jetzt misch dich nicht ein, wenn erwachsene Männer über wichtig…«
Ein schwerer Flügelschlag traf Sua am Schwanz. »Sua!«, fuhr ihn die gelbe Drachin an. »Seit wann sprichst du Frauen den Verstand ab?!«
»Das tu ich doch gar nicht«, erwiderte der Drache kleinlaut. »Aber wir erörtern hier wichtige männli…«
»Sua!«
»Tut mir leid, Mädchen«, schnaubte der Drache. »Aber wir Drachen erörtern bestimmte Dinge nicht mit Außenstehenden. Es gibt gewisse delikate Fragen …«
»Ich nehme es Euch nicht übel«, beruhigte ihn Tiana. »Tut mir leid, das war auch meine Schuld.«
Damit war der Friede wiederhergestellt und Sua wandte sich erneut an Trix. »Warum seid ihr zu mir gekommen?«
»Meine Freunde sind in den Händen des MP!«
»Ich weiß.«
»Die Soldaten des Sultans sind uns auf den Fersen!«
»Ich weiß.«
»Wir konnten uns nur durch ein Wunder aus der Wüste retten!«
»Die Dschinn sind überaus schädliche und verschlagene Wesen!«, brachte der Drache mitfühlend heraus.
»Der Mineralisierte Prophet wird mich jetzt vermutlich jagen!«
»Anzunehmen.«
»Was soll ich tun?«
»Du bittest mich um Rat?«
Trix nickte.
»Flucht scheidet für dich wohl aus, oder?«
»Ja. Meine Freunde sind doch noch …«
»Das habe ich ja verstanden.« Der Drache dachte nach. »Warum bittest du ausgerechnet mich um Rat?«
»Weil Ihr weise seid!«, sagte Trix. »Hinter Euch liegt bereits ein
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