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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dennoch zu erkennen waren, und der Hader der Helden, ausgelöst von Göttern. Feuer, angefacht von Göttern, in denen Helden brannten. Helden, die heimkehren wollten, die aber vom Hauch der Götter weit über das weinfarbene Meer getrieben wurden, in bauchigen Schiffen, listenreich und vieles erleidend. Oder andere Helden, aufbrausende Zerstörer.
    Die geflügelten Worte, die Verse aus Erz und Ewigkeit, Gefäß aller Lehren und Vorbilder und Abschreckungen – waren die Worte denn wirklich noch leicht und geflügelt ohne den Hauch der Götter, oder barst nun das Gefäß, sickerte alle Weisheit in den Sand auf der Kugel: Weisheit, die nie Weisheit gewesen war, immer nur Täuschung und Trug?
    Leise sagte er: »Aus Furcht vor dem Unbekannten, dem Tod, haben wir Unsterbliche und Leben in der Unterwelt erfunden. Götter und Helden, denen nachzueifern uns daran hindern soll, haltloses Getier zu werden. Götter, die im Mittelpunkt der Erdscheibe hausten. Für die auf einer Kugel kein Platz ist. Bleibt denn ohne Götter wenigstens das Gefüge des Großen Gedichts? Oder nur noch Moira, Herrin des Zufalls, so unergründlich, daß nicht einmal das Denken sich noch lohnen würde?«
    Ahiram runzelte die Stirn. »Denken? Lohnen?« murmelte er. Solon füllte den Becher wieder auf, trank, schwieg. Irgendwann später, als Schatten unten die Gassen verschlungen hatten, sagte er: »Aber zurück zu der Reise. Wie seid ihr heimgekommen?«
    »Nach Norden.« Ahiram klang fast erleichtert. »Dorthin, wo bewaldete Inseln vor der Küste liegen und ein Feuerberg die Nacht erhellt. Dort biegt die Küste nach Westen, sehr lange Zeit, später wieder nach Norden. Es gibt dort Mündungen riesiger Ströme, und Städte, in denen Händler aus Qart Hadasht [Karthago] Gold und Elefantenzähne kaufen.«
    Ahiram berichtete von Weiten, Wüsten und Gewässern, von kleinen Häfen und großen Inseln. »Dann sind wir in Gadir angekommen, wo die westlichen Phönikier, du weißt, die Herren von Qart Hadasht, Tempel und Festungen gebaut haben und mit den Fürsten von Tarshish um Iberiens Erz streiten. Sie haben uns als ferne Brüder aufgenommen; von dort sind wir durch die westliche Meerenge zwischen den Säulen des Melqart zurück ins Große Grüne gesegelt.«
    »Gibt es im Westen auch Säulen?« Solon seufzte. »So viele Nachrichten… Ich dachte, es gäbe derlei nur im Nordosten, an der Enge des Dardanos, wo Herakles bei der Fahrt mit den Argonauten seine Säulen errichtete.«
    Bald darauf brachte die Sklavin einen weiteren Stuhl und Früchte, Brot, kalten Bratfisch und drei dampfende, gebratene Hühner. Der alte Priester, den Solon ebenfalls am Vortag im Palast kennengelernt hatte, setzte sich zu ihnen.
    Ahiram versuchte, von der Gestalt der Erde zu sprechen, aber der Athener lenkte ab, indem er nach Quellen alten Wissens fragte. Wen-Amun redete in Andeutungen von der Macht der Priester des Amun, ohne Billigung oder Mißbilligung auszudrücken. In den langen Jahren der Fremdherrschaft, sagte er, seien die Tempel Horte des Wissens geblieben und Knoten in einem Netz der Macht geworden, denn die Assyrer im Nordosten von Tameri, die Tjehenu aus der Wüste Libyens im Nordwesten und die Kuschiten im Süden hätten das Land besessen, nicht aber die Götter und ihre Tempel.
    »Was weißt du von meinen Vorfahren?« sagte Solon. »Wir haben ja fast alles vergessen.«
    Wen-Amun nickte; etwas wie väterliche Herablassung klang in seiner Stimme mit. »Ihr seid ein wenig wie Kinder; das stimmt, edler Solon. Dabei gäbe es vieles, auf das ihr stolz sein könntet. Wenn ihr es nicht vergessen hättet.«
    »Stolz? Wir? Was meinst du damit?«
    Wen-Amun klatschte in die Hände; ein Sklave erschien und zündete eine Fackel an, die er in ein Holzgestell steckte.
    »Licht im Dunkel«, murmelte der Priester. »Das war das Land Tameri, als Die-von-jenseits-der-See alle Küsten verheerten und viele Städte untergingen, auch die deiner Vorfahren. Städte der Tanaju, Solon, überall in Muqannu, sind damals untergegangen, durch Feuer und Zwist von innen.«
    »Wie lange liegen diese Dinge zurück?«
    »Neuntausend Rundungen ist es her, seit deine Stadt Athen gebaut wurde; andere Orte in Muqannu sind älter. Dieser Ort hier, den ihr Sais nennt, wurde vor achttausend Rundungen gebaut. Die Städte weiter oben am Hapi waren damals schon alt. Und die Ereignisse, von denen wir sprechen, begannen vor etwa siebentausendachthundert Rundungen.«
    Solon legte den Kopf in den Nacken und starrte in

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