Troja
anderen Pilze und Kräuter auch nicht. Hier werden wir keine bekommen.«
»Ich will es haben«, sagte sie.
»Dann ist es gut, wie es ist.«
Ein paar Tage später empfahl ihnen Keleos, den Nachmittag auf dem Schiff, wenn nicht gar hinter die Bordwand geduckt oder unter Deck zu verbringen.
»Aias der Große, Sohn des Telamon, ist nach Norden aufgebrochen – plündern und Entsetzen verbreiten, wie üblich. Achilleus wird hier vorbeikommen, um weiter im Süden zu metzeln. Laßt euch nicht blicken, wie gesagt; er ist der schlimmste Vertreter dieser Achaier-über-alles-Sache.«
»Was macht er mit Nicht-Achaiern?«
»Wenn er gut gelaunt ist, bringt er sie um.«
»Und wenn er schlecht gelaunt ist?«
»Bringt er sie langsam um.«
Alles begann ganz harmlos. Nicht weit vom Gestade fuhren Schiffe südwärts; an Land kamen einzelne kleinere Trupps, vor allem leichte Fußkämpfer, daneben einige schwerer Bewaffnete, schließlich zwei Streitwagen. Sie hielten auf der ebenen Fläche zwischen Mole und Gebäuden. Ninurta, fast reglos und kaum sichtbar auf dem Achterdeck der Kerets Nutzen , sah den riesigen Krieger vom Wagen springen. Er schien einige Worte mit Keleos zu wechseln; dann nahm er den hohen Helm ab und entblößte langes, blondes Haar, über der Stirn mit einem Tuchstreifen gebändigt. Nach dem, was der Assyrer sehen konnte, verlangte Achilleus Auskünfte von Keleos, und zwar nicht eben freundlich. Mehrmals wies er auf die Gebäude, auf die Schiffe; einmal packte er den Fürsten von Ialysos an der Schulter und rüttelte ihn.
Dann öffnete sich die Tür der Schänke, vor der zwei Männer des Keleos als Wachen standen, und ein Skythe, sichtlich angetrunken, brüllte etwas. (Keleos sagte später, er habe sich über den Lärm und die harschen Stimmen beschwert.) Der riesige Achaier deutete zur Schänke; vier seiner Leute liefen hin, schoben Keleos’ Wachen beiseite und zerrten den zappelnden Skythen zu ihrem Führer.
Achilleus schien nicht viele Worte zu vergeuden. Er packte den Skythen mit der Linken am Brustgewand, hob ihn hoch, zog mit der rechten Hand einen langen Dolch oder ein kurzes Schwert aus dem Gürtel und trennte das linke Ohr des Händlers ab.
Ninurta hatte nicht das Bedürfnis, mehr zu sehen; er glitt vom Achterdeck und ließ sich auf die Planken sinken. Der unförmige, rätselhafte Kasten, an dem Tsanghar bastelte und über den er noch nichts hatte sagen wollen, schirmte sie alle zum Land hin ab.
»Was machen die da?« sagte Tashmetu. Vom Landende der Mole her drang schrilles Winseln.
»Der göttliche Achilleus gefällt sich darin, einen besoffenen Skythen mit dem Messer zu zerlegen.« Ninurta sprach wie durch einen Schleier aus Erbrochenem; unsichtbare Hände preßten ihm die Kehle zusammen.
Tashmetu nahm seine Hand, hielt sie mit beiden Handflächen fest.
Das Geschrei wurde lauter, leiser, schwoll wieder an und brach schließlich jäh ab. Die Männer der Kerets Nutzen saßen oder kauerten, teils auf dem Deck, teils unter dem Heckdach; einige hielten die Augen geschlossen wie Kinder, die meinen, wenn sie nichts sähen, sähe man sie auch nicht; Bod-Yanat bewegte die Lippen in lautlosem Fluchen, und Tsanghar heftete die Blicke auf Tashmetu.
»Wenn etwas Scheußliches geschieht, soll man an sehr Schönes denken«, murmelte er. »Darf ich daran denken, Herrin?«
»Denk, woran du willst – wenn es dir hilft.«
»Erregung lenkt ab.«
Sie warteten; Ninurta atmete leichter, das Würgen ließ ein wenig nach und machte einem ohnmächtig malmenden Zorn Platz.
Plötzlich hörten sie harte Schritte, harte Stimmen auf der Mole. Die Achaier schienen sich zu nähern, als ob sie die an der Mole liegenden Schiffe genauer mustern wollten.
Dann die Stimme von Keleos: »Dieses Schiff gehört mir, Achilleus – es sind Händler, die für den Fürsten von Ialysos fahren.«
»Achaier?« sagte eine seltsame Stimme, die gleichzeitig flach und grollend war.
»Es sind Achaier dabei.«
»Was noch?«
Keleos klang gereizt. » Meine Leute, Mann. Ist es wichtig, woher sie genau kommen?«
Eine andere Stimme, ein wenig heller als die von Achilleus.
»Der Sohn des Peleus will es wissen, also ist es wichtig.« Ninurta knirschte mit den Zähnen und sprang auf die Füße.
»Das ist würdelos«, sagte er sehr laut. »Warum soll sich ein Assyrer vor einem achaischen Barbaren verstecken?«
Keleos starrte ihn an; Verblüffung ging über in etwas wie Achtung und Sorge – das Abschiedsgesicht des Fürsten von
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