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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Ialysos, dachte Ninurta flüchtig; so ähnlich würde Keleos dreinblicken, wenn er der Bestattung eines tapferen Trottels beizuwohnen hätte.
    Neben dem Fürsten, fast einen Kopf größer als er, stand Achilleus; noch immer hielt er den Helm unterm Arm. Die verfilzte blonde Mähne. Das schmierige Haarband, mit Goldfäden durchwirkt. Der mächtige Brustpanzer aus Bronze, darauf vernietete Goldstreifen. Der Mann halb hinter ihm, der zuletzt gesprochen hatte, mußte Patroklos sein, Vetter, engster Freund, Kampfgefährte, Tisch und Bettgenosse des Peliden. Er war nicht ganz so wuchtig wie Achilleus, trug einen ähnlichen Panzer, und unter dem Helm lugten schwarze Strähnen hervor. Beide waren unrasiert, wie die sechs Krieger, die sie begleiteten, und Ninurta bildete sich ein, sie gegen den Wind riechen zu können.
    »Assyrer?« sagte Achilleus. Es klang überrascht. Er musterte den Händler, das Deck, die anderen, die dort langsam aufstanden.
    Plötzlich spürte Ninurta etwas von all den Dingen, die man Achilleus nachrühmte, und von ihrer Wirkung. Die Augen, die Tashmetu verließen und sich wieder auf ihn richteten, waren scharf, fast beißend, ein merkwürdig tanzendes Blaugrau. Als der Assyrer in diese Augen schaute, wurde sein Kopf leicht, wie nach einem Becher köstlichen Weins, auf nüchternen Magen geleert. Er wußte noch immer, daß der Achaier ein ungewaschener Totschläger war, kaum bewandert im Umgang mit Schriftzeichen. Aber er war auch schön , etwas, was Ninurta nie zuvor bei einem Mann gesehen hatte – die Hände, die starken Arme, die Schultern, alles war gewaltig, aber alles war Harmonie und Ebenmaß. Ein Lächeln, und tausend Knaben und Mädchen würden seinen Phallos anbeten; ein Befehl, und zehntausend Männer würden ihm in die Schlacht folgen. Und zweifellos war er nicht dumm – während Ninurta ihn einzuschätzen, auszuloten suchte, fühlte er sich von diesen Augen zerlegt und durchwühlt und erwogen.
    »Assyrer«, wiederholte Achilleus; etwas wie widerwillige Anerkennung klang mit. »Ich hörte, Assyrer seien große Krieger. Kann man Krieger und Händler sein? Im Dienst eines Inselfürsten?«
    »Ich weiß nicht, ob Achaier dies gleichzeitig können; Assyrer können es.«
    Achilleus lachte, und Ninurta wäre bereit gewesen, ihm ans Ende der Unterwelt zu folgen und in den Ursprung allen Feuers.
    »Dann zeig es mir. Zeig mir, womit du handelst, und ich zeige dir, wie Achaier kämpfen.« Der Pelide wechselte einen kurzen Blick mit Patroklos.
    Keleos seufzte. »Es ist kindisch. Hast du nichts Besseres zu tun, als meine Händler zu zerstückeln?«
    »Es mag dir kindisch erscheinen, aber es ist zufällig meine erhabene Kindischkeit.« Achilleus reckte die Arme und lachte, lauter als zuvor. »Wir haben einen langen Marsch und ödes Segeln vor uns, danach ein bißchen Kämpfen und Brennen und Plündern. Erlaube, Fürst von Ialysos, daß ich mich zunächst ein wenig zerstreue.«
    »Ich will das nicht«, sagte Keleos. Dann verstummte er; Patroklos berührte ihn mit der Speerspitze an der Brust, und die anderen Krieger hatten plötzlich Schwerter in den Händen.
    »Ich weiß nicht, ob es gut ist, den größten Helden der Achaier zu töten.« Ninurta war überrascht, wie beiläufig er dies vorbringen konnte. Die eigene Stimme erschien ihm fremd.
    »Wenn du es nicht versuchst, wirst du sterben, mit allen« , sagte Patroklos, so beiläufig, als spräche er über das Wetter.
    »Sterben wie Ungeziefer.«
    »Und wenn ich es versuche?«
    »Wirst du sterben wie ein Krieger, und die anderen werden leben.«
    Keleos war blaß geworden, aber er sagte nichts; als Ninurta ihn anschaute, wandte der Fürst von Ialysos die Augen ab.
    Dann fühlte er eine leichte Berührung am rechten Arm. Tashmetu war neben ihm; sie reichte ihm eines der Schwerter aus Stahl.
    »Mach ein Ende«, sagte sie. »Töte diesen Knaben, Ninurta. Madduwattas wird dir danken.«
    »Madduwattas?« Achilleus blinzelte; er nahm die beiden Speere, die einer der Krieger ihm reichte, in die Linke und zog mit der Rechten das blutige kurze Stichschwert aus dem Gehenk, aber seine Augen hingen an Tashmetus Gesicht. »Was hat Madduwattas damit zu tun? Vielleicht auch noch Tithonos?«
    »Der Halbbruder des Priamos ist tot, gestorben in Ashur«, sagte Ninurta. »Und von Madduwattas berichte ich… gleich.«
    Er wußte, daß er nur eine geringe Aussicht auf Überleben hatte – nur, wenn er sofort handelte. Ehe Achilleus bereit war. Es konnte keinen Zweifel daran

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