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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Teil der Beute«, sagte Tashmetu. »Das ist viel zu wahr, um unglaublich zu sein. Aber wie? Und was ist mit der Wunde?«
    Ninurta schnaubte leise. »Skythen haben böse Gedanken; sie trauen jedem alles zu, vor allem den Achaiern. Dieser Mann sagt, was er von der Wunde des Philoktetes gehört hat, erinnert ihn an gewisse Dinge.«
    »Was denn? Die Wunde stinkt, bildet Schwären, sondert scheußliche Flüssigkeit ab und tut so weh, daß Philoktetes mit seinem Geschrei die Leute am Schlafen hindert – deshalb haben sie ihn nach Lemnos gebracht.«
    »Der Skythe sagt, es gibt da ein Gift, das man auf Pfeile schmiert – Pfeilspitzen, genauer. Ferner sagt er, besonders gut im Vergiften von Pfeilen seien die streitbaren Frauen von Azzi – die Amazzyunen. Wenn das Gift älter ist, hat es genau die Wirkung wie der Schlangenbiß bei Philoktetes.«
    Tashmetu seufzte leise. Sie rollte sich auf den Rücken und blickte hinauf in die Schwärze des Himmels. »Pfeilgift der Amazzyunen… und der Schlangenbiß von Philoktetes. Das scheint mir weiter auseinanderzuliegen als wir hier unten und die Sterne da oben.«
    Dann stutzte sie.
    »Oder? Hat Philoktetes nicht angeblich die Pfeile des Herakles geerbt?«
    »Klügste der Schönen und Schönste der Klugen, so ist es. Die vergifteten Pfeile des großen Raufbolds, der mit Iason und Theseus und den anderen auf der Heimfahrt von Kolchis an der Küste des Azzi-Lands gewesen ist. Wo sie derartig gewütet haben müssen, daß ein Trupp zorniger Frauen ihnen angeblich bis nach Athen gefolgt ist. Die Anführerin saß auf einem schwarzen Pferd; deshalb nannten die Achaier sie Melanippe.«
    »Aber…« Tashmetu zögerte. Schließlich sagte sie: »Du meinst, jemand fängt irgendwo eine harmlose Schlange, läßt sie am Apollon-Altar los und piekst gleichzeitig Philoktetes mit einem seiner eigenen Pfeile? Wer denn?«
    Ninurta sagte nichts.
    »Natürlich; du hast recht.« Sie setzte sich auf und schaute auf ihn herab. »Man muß schon sehr krumm denken, um so etwas auszuhecken. Aber es ist klar; nur einer der anderen Fürsten konnte an den Köcher gelangen. Und sehr klug, dann die Schlange gleich zu töten.«
    »Ich wollte ihm einmal einen Bogen andrehen, aber er hatte schon einen. Kennt sich mit Pfeilen aus.«
    Sie ließ sich wieder sinken, diesmal auf die andere Seite, so daß sie Ninurta anschaute. »Seltsam, was die Leute so aushekken, wenn man sie nicht daran hindert. Und wir sitzen hier auf der Mole, sehen den Wellen beim Schwappen zu, zählen Sterne und üben uns im Nichtstun.«
    Der Assyrer lächelte. »Einige schweißtreibende Formen des Nichtstuns sind mir dank deiner Mitwirkung besonders lieb.«
    »Das spricht für uns. Finde ich. Beflissene Emsigkeit kann jeder Trottel absondern. Es verlangt schon sehr viel mehr Erfindungsreichtum, die vielen Farben und Gestalten der Langeweile zu wägen.«
    »Wie wahr, Herrin. Gelbliche Ödnis, leicht gezackt?«
    Sie kicherte. »Nicht zu vergessen die fieberhafte Muße oder verwegenes Dösen, beide bestenfalls hellrot und wabernd.«
    »Auch die atemlose mattbraune Starre hat etwas für sich.« Seine Hand wanderte unter der Decke abwärts.
    »Die steife Öde? Das feuchte Gähnen?«
    »Letzteres ist senkrecht.«
    Irgendwann, später, sagte der Assyrer halblaut: »Dreister Schlummer. Tollkühnes Abwarten. Und dabei habe ich es nie lange untätig an einem Ort ausgehalten. Es ist… es ist, als ob sich etwas verändert hätte. Verwandelt. Verzaubert. Als ob ich nur noch zweierlei brauchte, um zu überleben.«
    »Zweierlei?« Tashmetus Stimme klang verhalten, fast argwöhnisch.
    »Das Meer«, sagte Ninurta. »Salz und Weite. Das ist eines. Und… Tashmetu. Ich glaube, ich würde mich gern die nächsten paar Jahre mit dir langweilen.«
    Als sie ihn küßte, spürte er, daß ihre Wangen feucht waren.
    »Was hast du, Liebste?«
    »Es gibt passende und unpassende Dinge«, flüsterte sie. »Du hast mir gerade etwas sehr Schönes gesagt. Ich werde dir jetzt etwas sehr Ungelegenes sagen müssen. Ich liebe dich.«
    »Das finde ich nicht so unangenehm.«
    »Das nicht, aber… Ich hätte vor fünf Tagen anfangen müssen zu bluten. Irgendwie ist das hier nicht der beste Ort und vor allem nicht die beste Zeit dafür. Aber…« Sie schwieg.
    Unter der Decke tastete Ninurta nach ihrer Hand, fand sie, zog sie an den Mund und berührte die Fingerspitzen mit den Lippen. »Es gibt bessere Orte und Zeiten«, sagte er. »Aber wir haben kein sulufu dabei, nicht wahr? Und die

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