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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Palamedes, der kühne Belagerungsgeräte bauen wollte und vergaß, daß die Männer, die sie bedienen, Hunger haben.
    Und was – auch dies von ihm nicht bedacht? Oder von ihm allzu gut bedacht? – was geschieht in all diesen Jahren des Belagerns in der Heimat? Wer führt unsere Städte? Die besten der Achaier belagern Troja, nahezu alle waffenfähigen Männer. Aber gibt es da nicht noch viele Männer, ältere Männer, auch kluge Frauen, die das Land ordnen können? O ja, es gibt sie, und sie sind Freunde und Verwandte des Palamedes: Abkömmlinge der alten Herrscherschichten, Mykenier. Wie, wenn die stolzen Achaier nach jahrelangen Kämpfen Troja besiegt und geplündert haben und überladen mit Gold und Ruhm heimkehren – um die Macht in Händen der alten Sippen zu finden, aus denen viele unserer Frauen stammen? Frauen, die allein waren, die allein geschlafen haben, bis sie Trost bei den alten Verwandten suchen? Wer sitzt auf dem Thron, wenn der Fürst heimkehrt und feststellt, er ist kein Fürst mehr, kein Gemahl und kein Vater?
    Ob dies von Palamedes bedacht war? Der Mykenier führt die Achaier in einen langen Krieg, damit daheim andere Mykenier wieder die Macht übernehmen können? Ich weiß es nicht; damals erschien es mir unglaubhaft. Im letzten Herbst ist Troja gefallen; die Winde haben mich im Frühjahr nach Süden geweht, hierher zu euch, o Köstliche. Vielleicht werde ich heimkehren, den anderen folgen, die längst daheim sein müssen. Kaum mehr als ein Jahr zwischen Aufbruch und Heimkehr. In dieser kurzen Zeit kann nicht so viel geschehen sein, aber vielleicht lassen sich Hinweise erkennen.
    Genügt dies, all dies, als Antwort auf euer warum ? Ah, noch eine Antwort will ich euch geben. Oder zwei. Zwist. Zwist im Heer, zwischen den Führern. Philoktetes, Palamedes, in gewisser Weise auch Idomeneus wollten die kunstvolle, lange Belagerung; und die Krieger, die Männer, haben Palamedes geschätzt. Ich habe die Männer geliebt, wollte sie bald heimkehren sehen, möglichst viele, möglichst lebendig. Ein Heer mit streitenden Führern, vielleicht mit wechselndem Oberbefehl muß scheitern. Palamedes und Philoktetes und Idomeneus gegen Agamemnon? Agamemnon der Dumpfe, aber ein gewaltiger Krieger. Der Kampf darf nicht lang sein, kunstvoll und ausgesponnen – ist ein Krieg das denn jemals? Kurz, hart und grausam; oder gar nicht. Agamemnon, Aias, Menelaos, Achilleus sind die Männer für diesen Krieg, und der Befehl muß in Agamemnons Hand liegen. In der Hand, die einem König gehört, dessen Ohr offen ist für Ratschläge des Odysseus. Idomeneus allein würde sich uns anschließen, kein Zweifel. Deshalb.
    Die Menge der Löwen? Ah. Ihr meint also, der edle Fürst von Ithaka, Odysseus, gerieben und gerissen und einfallsreich, Odysseus hätte an die Beute gedacht? Daran, daß eine kleinere Anzahl fürstlicher Löwen bedeutet, daß jeder einzelne Löwe einen größeren Bissen vom erlegten Wild bekommt? Auch der Löwe aus Ithaka?
    Es gibt keine Löwen auf Ithaka, ihr Geschmeidigen. Das ist die Wahrheit. Meine Wahrheit.

13. FRIEDE IM KRIEG
    Korinnos trottete schweigsam, brütend zwischen den Söldnern; Ninurta ließ ihn in Ruhe. Er nahm an, daß der Junge mehrere Tage brauchen würde, das Entsetzen zu überwinden. Dann würde er sprechen, und das Sprechen würde ihm vielleicht helfen, den Verlust des Ziehvaters zu verkraften. Zeit, nur Zeit. Mehr Zeit, als die Achaier und Trojaner hatten.
    Nach den Ereignissen der letzten Tage empfand Ninurta den Marsch nach Norden, zwischen Hügeln und Meer, als Befreiung; sie ließ ihn tiefer atmen, und vielleicht brachte das Atmen all die verschütteten oder vergessenen Dinge wieder an die Oberfläche dessen, was er als seine Denkpfütze ansah.
    Tsanghar wollte noch keine Fragen zu seinem seltsamen Gerät beantworten. »Zeit, Herr des Unternehmens.« Die Zähne des Kashkäers blitzten. »Zeit, und vielleicht ein wenig Draht. Mehr brauche ich nicht. Dann kann ich alles zusammenfügen, und du wirst es sehen.«
    »Werde ich es verstehen, wenn ich es sehe?«
    »Es steht mir nicht zu, über deine Verstandeskräfte zu befinden.«
    Je weiter sie nach Norden kamen, desto unwegsamer wurde der Strand. Schiffe, Zelte, Männer, Tiere, gestapelte Vorräte, gebündelte Waffen, hier und da Sammelplätze für die Behandlung von Verwundeten, Kot, Abfall, Trümmer…
    Odysseus hatte kurz nach dem Aufbruch, morgens, den Männern, die, von Diomedes geschickt, dem Zug entgegenkamen, genaue Anweisungen

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