Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Klinge weg, dann können wir reden.«
    Ninurta ließ das Schwert sinken. Odysseus faßte sich an den Hals; er warf dem Jungen einen finsteren Blick zu.
    »Was für ein Handel, Assyrer?«
    »Gibt mir den Jungen. Er wird schweigen.«
    »Das ist ein halber Handel. Wie sieht die andere Hälfte aus?«
    »Ich habe gute Waffen. Die Hälfte für euch, die Hälfte für die Trojaner – wenn der Preis gut ist. Du gibt mir den Jungen, wir begleiten dich zu Agamemnon und den anderen, du sprichst für uns, und wir sprechen… für dich.«
    Odysseus kniff die Augen zusammen. »Er ist hinter uns hergeschlichen«, murrte er. »Was liegt dir an dem Jungen?«
    Ninurta zögerte kaum einen halben Atemzug lang; er entschloß sich, die Wahrheit zu sagen – wenigstens teilweise.
    »Ich trage die Schuld daran, daß durch eines meiner Schwerter ein Junge grausam getötet wurde. Vielleicht kann ich besser schlafen, wenn…«
    Khanussu warf ihm einen sehr erstaunten Blick zu, von der Seite. Odysseus holte scharf Luft, durch die Zähne.
    »So weich kenne ich dich nicht, Assyrer. Wo war das?«
    »Südlich von hier. Warum?«
    »Hinter Ephesos?«
    Nun staunte Ninurta. »Woher weißt du…?«
    Odysseus lächelte traurig. »Ich weiß, daß Madduwattas in den Bergen sitzt. Ich weiß, daß ein kluger Händler, der feine Waffen hat, über den Preis zuerst mit dem König redet, und dann mit dem Bauern. Ist es bei Madduwattas geschehen?«
    Ninurta nickte; Khanussu verzog den Mund, als ob er sich gleich übergeben müßte.
    »Dann… verstehe ich dich.« Odysseus schloß einen Moment die Augen. »Es gibt Dinge«, sagte er dann leise, »die notwendig sind. Ungeziefer zum Schweigen zu bringen, zum Beispiel. Aber es gibt Dinge, die alles verhöhnen, was die Fortdauer menschlichen Lebens erträglich macht.« Plötzlich lachte er.
    »Gib mir dein Schwert, Assyrer. Ein Schwert für ein Leben. Und meine freundlichen Worte bei Agamemnon.«
    »Es ist mehr wert als sein Gewicht in Gold«, sagte der Shardanier; er hatte den Speer sinken lassen.
    Odysseus sagte nichts.
    Ninurta wandte sich um; die anderen hatten den Brunnen erreicht und sahen zu ihnen herüber, einige vielleicht ein wenig verwundert. Tashmetu kam näher. Er legte eine Hand auf die Schulter des Jungen.
    »Korinnos. Du hast gehört, was wir besprochen haben?« Ein stummes Nicken.
    »Dein Leben und dein Schweigen?«
    Korinnos würgte die Worte heraus. »Ich… werde schweigen, Herr. Bis ich dir nicht mehr danken muß.«
    »Es ist gut.« Ninurta steckte das Schwert in die Scheide, löste sie von seinem Gürtel und hielt sie Odysseus hin.
    Der Fürst von Ithaka nahm die Waffe. Er runzelte die Stirn, als müsse er nachdenken; dann zog er sein Kurzschwert und reichte es dem Assyrer.
    »Kein Blut zwischen uns, Waffenbruder«, sagte er.
    »Es ist gut, Fürst.«
    »Wenn du jetzt noch einmal ›es ist gut‹ sagst, werde ich lachen«, sagte der Shardanier. »Ihr seid seltsame Männer.«
    Odysseus blickte zum Himmel. »Spät. Wollt ihr hier lagern? Wenn ja – darf ich mich anschließen? Morgen früh bringe ich euch zu Agamemnon.«
     
    Abends, als der Junge eingeschlafen war, sprach Ninurta mit Tashmetu. Sie legte eine Hand an seine Wange und blickte dabei zu Odysseus hinüber, der am anderen Feuer saß und mit dem Shardanier beim Erzählen wetteiferte.
    »Ich muß ihn nicht lieben, nicht wahr?« sagte sie.
    »Den Jungen? Vielleicht ist er liebenswert.«
    »Odysseus.«
    Ninurta küßte sie. »Er liebt sich selbst, das genügt für ihn.«
    »Was ist…« Sie atmete flach, schnell. »Was, abgesehen von dem, was du erlebt hast, ist denn so widerwärtig an Madduwattas?«
    Ninurta knirschte mit den Zähnen; weit, weit hinten in seiner Innenwelt regte sich der Schattendrache. »Der Herr von Arzawa ist fünfundachtzig, aber er sieht aus wie vierzig. Man sagt, es liegt an… seinen Eßgewohnheiten.«
    »Was sind seine Eßgewohnheiten?«
    Ninurta sagte es ihr, leise. Tashmetu riß die Augen auf, preßte eine Hand an den Mund, sprang auf und lief nach rechts. Ninurta erhob sich und folgte ihr langsam. Er hörte, wie sie sich hinter einem Mauerrest erbrach.
    ERZÄHLUNG DES ODYSSEUS (VI)
    Palamedes, Freund aller Krieger, listiger Führer; edler Sproß aus mykenischer Sippe, Nauplios’ Sohn; nein, ich habe ihn wahrlich nicht geliebt, diesen Fürsten – aber ein albernes Ende, von Steinen begraben zu werden, während man wie ein Knabe nach Gold wühlt, das doch nicht da ist, so ein Ende verdiente nicht einmal

Weitere Kostenlose Bücher