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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Feldsteinmauer, ein morscher Pfosten, der mit einem verschwundenen zweiten früher den Querbalken getragen hatte, an dem der Schöpfeimer befestigt wurde. Dort rang ein Mann, der Brustpanzer und Helm trug, einen Halbwüchsigen nieder. Der Mann war bewaffnet, versuchte aber nicht, das kurze Schwert zu benutzen – offenbar wollte er den Jungen erwürgen.
    »Halt, Freund.« Ninurta faßte zum Schwertgriff.
    Scheinbar ohne Eile, aber so schnell, daß Ninurta den Bewegungen kaum folgen konnte, ließ Khanussa die Beutel zu Boden gleiten und hatte plötzlich einen seiner Wurfspeere in der Hand. Mit der anderen löste er den Riemen, der den schweren Bogen auf seinem Rücken hielt. »Sei so gut und vergnüge dich als Knabenmeuchler erst dann weiter, wenn wir getrunken haben.«
    Der Mann blickte zu ihnen herüber; dann verzog er das Gesicht, als der Junge in die Hand biß, die ihm den Mund zugehalten hatte, und dann mit einer gewaltigen Anstrengung den Arm wegbog, der ihm die Kehle zudrückte.
    »Awil-Ninurta von Ashur?« sagte der Mann ungläubig, während der Junge keuchend und schluchzend zusammensackte und zu den beiden Neuankömmlingen zu kriechen begann.
    »Das Gedächtnis des edlen Odysseus ist zu preisen«, sagte Ninurta. »Aber ich weiß nicht, was ich von deinen Zerstreuungen halten soll.«
    Odysseus machte ein paar schnelle Schritte, packte den Jungen, der kaum älter als dreizehn sein konnte, und hob ihn mühelos hoch. Die gebissene rechte Hand legte sich wieder über den Mund. Der Junge zappelte und würgte, aber es war deutlich zu sehen, daß er keine Kraft mehr hatte.
    »Halt von ihnen, was du für tunlich hältst, Assyrer. Das Heer muß manchmal vor Ungeziefer bewahrt werden, das böse Gerüchte und Zwist in die Reihen tragen will.«
    »Trägt man Gerüchte?« Khanussu gluckste. »Wie, edler Achaier? Laß den Jungen los.«
    »Ein Ruf von mir, und hundert Krieger kommen von den Hügeln.«
    Ninurta zog das lange, federnde Schwert. Mit ein paar Sätzen war er bei dem Fürsten von Ithaka und berührte dessen Kehle mit der Schwertspitze. Wieder hatte er das unheimliche Gefühl, daß etwas in der Klinge erwachte – etwas, das in seinen Arm kroch und in seinen Ohren zu singen begann.
    »Hundert Krieger, deinen Leichnam zu beweinen, Odysseus. Laß ihn los. Was hat er getan?«
    Odysseus seufzte, leise, wie in trübem Entsagen angesichts einer köstlichen Verlockung. »Er lügt«, knurrte er dann. »Er will das Heer aufwiegeln.«
    Der Junge taumelte von dem Achaier fort; hinter Ninurta blieb er keuchend stehen.
    »Dann führ ihn den Fürsten vor und laß sie urteilen.« Die Geister der Klinge sangen lauter, gieriger; um sie zu übertönen , ehe ihr Gesang ihn überwältigte, sagte Ninurta laut: »Sprecht schnell –beide. Was ist die Lüge?«
    »Er behauptet, ich, Odysseus, Fürst von Ithaka, hätte den edlen Palamedes, Sohn des Nauplios, in diesen alten Brunnen steigen lassen und ihn dann mit Steinen erschlagen.« Odysseus schüttelte den Kopf; er schien so erstaunt, als habe ihm eben jemand versichert, Trojas Mauern bestünden aus Schafskäse.
    »Sieh nach, Khanussu.« Ninurta bewegte sich nicht; das Schwert blieb an Odysseus’ Kehle.
    »Er braucht nicht nachzusehen.« Odysseus klang ganz gelassen. »Palamedes liegt tatsächlich in dem Brunnen. Er wollte sehen, ob jemand darin einen Schatz vergraben hat; Diomedes und ich konnten ihn nicht zurückhalten. Und dann ist die Mauer über ihm eingebrochen.«
    »Diomedes auch? Wo ist er?«
    »Aufgebrochen, um Helfer zu holen, die den edlen Palamedes bergen sollen.«
    Khanussu war zu ihnen getreten; er lachte schallend. »Diomedes holt Helfer, während du mit einem Ruf hundert Krieger von den Hügeln holen kannst?«
    »Sie haben ihn hineingestoßen.« Die Stimme des Jungen klang dick und belegt – belegt von Angst und Entsetzen. »Und mit Steinen beworfen.«
    Odysseus seufzte erneut. »Es ist ungemütlich, mit deinem Schwert am Hals, Assyrer. Kann ich mir diese Lügen nicht wenigstens ohne Klinge anhören?«
    »Ich war in der Nähe…« Nun sprudelte es aus dem Jungen heraus. Er sagte, er sei Korinnos, Korinnos Ilieus genannt, weil sein Großvater von Herakles verschleppt worden sei. Trojaner, als Knecht mitgeschleppt; Palamedes habe ihn (den Enkel) wie ein Vater behandelt und unterrichtet, und nun…
    Hinter sich hörte Ninurta die Stimmen der anderen, die ihnen vom zerstörten Dorf zum Brunnen folgten. Er faßte einen Entschluß.
    »Ein Handel, Odysseus?«
    »Nimm die

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