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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wollen?«
    »Hätten die Achaier sie denn verkauft? Und sobald wir abgereist wären, gäbe es zweimal soviel neue Gefangene, die niemand freikauft.« Sie seufzte. »Hier ist an allen Händen Blut, an deinen und meinen, und bald auch an denen von Korinnos. Gefangene Frauen freikaufen und gefangene Männer sterben lassen? Alle freikaufen? Die ganze Stadt kaufen und das Land und Achiawa dazu?«
    Ninurta lachte gepreßt. »Agamemnon hat mehr Gold als alle Händler der Meere und Länder zusammen. Und selbst wenn… Sie würden in ein noch nicht gekauftes Land wandern und einander dort die Kehlen schlitzen.«
    »Können wir fliehen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Etwa fünfundvierzig Talente Gold – wenn Agamemnon zahlt. Was ich nicht glaube, aber immerhin. Hier oben wäre der Gegenwert fast vierhundertfünfzig Talente Silber. In shiqlu…« Er schwieg und rechnete, schließlich sagte er fast ehrfürchtig: »Fünfhundertvierzigtausendmal zehn Tage dieses Haus mieten. Einen Tag lang acht Millionen und einhunderttausend shardanische Söldner bezahlen. Keiner von uns wird hungern müssen, wenn wir das Gold nicht bekommen; aber vielleicht sollten wir noch ein paar Tage hoffen und abwarten.«
    »Können wir denn fliehen – wenn wir fliehen wollen?«
    »Die Schiffe sind bewacht; sie liegen fest. Ich weiß nicht, wo Leukippe steckt, mit den anderen Leuten von der Bateia. Wahrscheinlich drüben, in der ›richtigen‹ Stadt. Ja, Liebste, wir können fliehen – glaube ich. Zu Fuß, nach Osten, ins Hinterland, dann nach Süden. Aber da tobt sich Achilleus aus, und wo er nicht ist, beginnt das Reich des finsteren Madduwattas, und wo es endet, beginnt das der Hatti. Nach Norden? Über die Meerenge, wo Aias, der Sohn des Telamon, die Welt verwüstet? Weiter nach Osten, in die Wildnis, ins Masa-Land, zu den Frauen von Azzi, die mich verschneiden und dich schmücken würden?«
    »Verschneiden?« Sie streckte den linken Arm aus, unter der Decke. »Das da? Ich glaube, ich hätte dann aber nicht viel Vergnügen am Schmuck.«
    »Vorsicht, sanfter. Ah. – Die Schiffe zurücklassen, die Waren zurücklassen, auf das Gold verzichten, das wir wahrscheinlich sowieso nicht kriegen. Aus der Stadt? Das wird möglich sein. Aber die erste trojanische Streife fängt uns ab – ›kommt mit, wir brauchen Krieger für Prijamadu, und du, Frau, kommst auch mit‹, so etwa?« Er setzte sich auf. »Du siehst, ich habe darüber nachgedacht, denke unausgesetzt daran. Aber es gibt keinen Weg. Wenn wir alles zurücklassen, einen schlimmen Verlust hinnehmen und dennoch nicht einmal halbwegs sicher sein können, daß wir einen Tag später noch leben?«
    Nach langem Schweigen sagte Tashmetu: »Dann laß uns das hier weiter als ›Lager der Händlerin Tashmetu‹ bewohnen. Ich … mir wird übel bei dem Gedanken an das, was die Könige in dir vergraben haben können. Und ich fürchte, das Siegel des Madduwattas könnte für dich alles noch schlimmer machen.«
    Ninurta nahm ihre Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. »Schönste und klügste der Frauen«, sagte er leise, »du hast scharfsinnig gesprochen, als wir im Zelt des Agamemnon saßen, und du hast klug gehandelt, als wir hier anlegten und uns den Ordnern vorstellen mußten. Wie könnte ich dir widersprechen? Ich danke dir – viele Male, für alles, ganz allgemein, und für dieses ganz besonders. Aber wenn nun jemand, zum Beispiel ein Goldbote des Achaiers, nach mir fragt? Ich kann mich nicht ewig verstecken; irgendwann wird Prijamadu erfahren, daß der Händler Awil-Ninurta in der Stadt ist, und dann wird er Antwort auf seine Botschaft nach Ashur hören wollen und mich holen lassen.«
    »Laß uns dies vorwärts und rückwärts bedenken, Liebster.«
    »Rückwärts?« Er lachte leise. »Sind wir müde, oder fällt uns dabei noch etwas ein?«
     
    Gleichförmige Tage: gleißende Sommerperlen, gefaßt in Muße, in einer Kette läßlicher Tätigkeiten. Warme Abende, oft verbracht auf dem Platz, wo sich die Frauen am Brunnen versammelten und alte Männer unter den Bögen Geschichten in ihren Wein erzählten. Milde Nächte im Haus, oder auf dem Dach; Tashmetus Schwangerschaft war noch nicht sichtbar und kein Hindernis bei den vielerlei möglichen Bewegungen. Ninurta fand, es gebe Schlimmeres, als mit genug Silber einen warmen Sommer untätig zu verbringen. Er konnte sich nicht daran erinnern, je ohne Tashmetu gewesen zu sein, und manchmal versuchte er, jene Unrast herbeizureden, die ihn immer zum Reisen

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