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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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und Handeln getrieben hatte. Dann lachte Tashmetu und sagte, umeinander gerankte Pflanzen seien eben seßhaft, bis Erdbeben und Sturm und Überschwemmung kämen.
    Daran war zunächst nicht zu denken. Trojaner und Achaier unternahmen nichts; nachts war die Ebene von Feuern gesprenkelt, an denen Männer beider Seiten saßen und redeten und tranken. Vermutlich warteten die Achaier auf die Rückkehr von Aias und Achilleus; die Trojaner warteten darauf, daß die Achaier etwas taten. Priamos konnte warten; jeder Tag brachte Verstärkungen – kleine Trupps aus entlegenen Festungen an den Meerengen oder in den Bergen, größere Abteilungen, die sich aus dem unerklärten Grenzkrieg gegen die Hethiter zurückgezogen hatten und Nachrichten mitbrachten, Kämpfer aus Phrygien und dem Masa-Land – weniger als erhofft, aber mehr als erwartet. Und jeder Tag brachte die Zeit näher, da es den trojanischen Schiffen gelingen würde, entweder die Kämpfe um Alashia und an den Gestaden des Hatti-Lands siegreich zu beenden oder ohne Sieg heimzukehren, um der Stadt zu helfen.
    In der Neustadt redete niemand vom Krieg; inzwischen gingen die Bauern wieder auf die Felder, zumindest diesseits der Flußmündungen. Es gab keinen Mangel, da das bisher nicht von Achaiern aufgesuchte Hinterland alles Nötige liefern und die Menschen, bis auf wenige, alles Benötigte bezahlen konnten; der König »drüben«, in der eigentlichen Stadt, ließ bisweilen Gemüse und Getreide verteilen, was ihn bei den Leuten in der Neustadt nicht beliebter machte. Er war, angeblich auch für die »richtigen« Trojaner (und, wie Ninurta vermutete, für diese noch mehr als für die Neustädter), der Achaier, alter Söldner, der die Macht an sich gerissen und mit seiner luwischen Hauptfrau Hekapa, aber auch mit einem Dutzend Nebenfrauen und weiteren Kebsen hundert Söhne und hundert Töchter gezeugt hatte, von denen einer den Phallos zu gründlich in eine Spartanerin schieben mußte, ohne an die Folgen zu denken – »und dafür sollen wir kämpfen?« Je länger dieser Friede im Krieg dauerte, desto unglaublicher erschien dem Assyrer die Vorstellung, die Männer, die draußen an den Feuern Brot, Wein und Geschichten teilten, könnten eines nahen Tages mit und gegeneinander ein Blutbad anrichten; andererseits zweifelte er nicht daran, daß Odysseus (wenn schon nicht Agamemnon) etwas einfallen würde, um sie dazu zu bringen.
    »Krieger«, sagte einer der alten Männer, »würden von sich aus nie kämpfen; sie wissen zu gut, um was es dabei geht.« Er bleckte die Gaumen, in denen drei Zähne steckten, wie verstreute Wächter; dann hob er den schmierigen kitun . Von der rechten Brustwarze bis halb über, halb unter dem Nabel wand sich eine schartige Narbe, wie eine Schlange, die die Fänge nicht mehr ganz hatte schließen können. »Krieger wissen das . Es ist herrlich, mit anderen Männern zusammenzusein, Teil eines gewaltigen Körpers. Und vorher ist gut reden vom herrlichen Krieg – hinterher auch, wenn man überlebt hat. Aber drin will keiner wirklich sein. Kein Krieger beginnt je einen Krieg; es sind die Fürsten.«
    Korinnos lächelte häufiger: Zähne wie weiße Blütenblätter, nachdem die Sonne das Eis des Entsetzens geschmolzen hat. Er erzählte von Palamedes, vom Leben in Nauplia, von den wirren Erinnerungen an den früh verstorbenen Vater, von Geschichten, die man ihm über die bei der Geburt verblutete Mutter erzählt hatte. Schon der nie gesehene Großvater war als Gefangener und Sklave von den Achaiern aus Troja verschleppt worden – damals.
    Tsanghar nahm sich seiner an; eigentlich kümmerten sich alle um ihn, aber der Kashkäer besonders. Er nahm ihn mit über den Fluß, zu langen Streifzügen durch die eigentliche Stadt, aus der Korinnos’ Ahnen stammten. Tashmetu begleitete sie zwei oder dreimal; Ninurta hielt es für besser, außerhalb von Prijamadus Sichtkreis zu bleiben. Eines Abends tauchte Tsanghar allein auf, ohne den Jungen, aber mit einem schrägen Grinsen. Es sei ihm endlich gelungen, den Knaben auf ein Mädchen zu schieben – oder unter, eher: »Sie kennt sich da schon aus.«
    Tsanghar unternahm überhaupt viel. In den ersten Tagen verschwand er häufig, mit Silber von Ninurta, um bestimmte Dinge zu beschaffen, die für sein seltsames Gerät an Bord der Kerets Nutzen noch fehlten. Als er alles zusammen hatte – Draht, Bolzen, Metallstifte, Sehnen, feine Seile –, brach er mit zwei Seeleuten auf, um alles zum Schiff zu bringen und den dort

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