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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Awil-Ninurta, der Mann des Kriegsgottes, mußte diesem offenbar Gefolgschaft leisten.
    Die beiden anderen Götter? Ah, Djoser, du weißt, nicht wahr? Die Göttin der eisigen Glut, der rasenden Liebe: Helena kam in die Neustadt, als dort einflußreiche Männer berieten, ob sie den Achaiern die Tore öffnen sollten. Sie kam über den Fluß; das jüngere der beiden Kinder von Parisiti, den sie auch Alexandros nannten, brachte sie mit, einen fünf Monde alten Säugling.
    Ich habe sie gesehen – aber was soll ich es dir erzählen, der du sie selbst gesehen hast, damals in Ugarit? Sie kam auf den Platz, auf dem die Männer berieten; sie bat darum, sprechen zu dürfen.
    Dann sprach sie – o, und wie sie sprach. Ihre Stimme war warm und weich, Mund, der den berstenden Phallos aufnimmt und den Schmerz lindert. Dann war sie scharf, gellend, eine Peitsche, unter der sich alle duckten. Verständnis habe sie, sagte sie, großes Verständnis und Zuneigung für jene Männer, die ihre Frauen und Kinder in Frieden leben statt im Krieg sterben sehen wollten. Besser, die Tore zu öffnen – wirklich besser? Kleinmütige, sagte sie; ob sie denn glaubten, die Schwerter der durchs offene Tor eindringenden Achaier seien weniger scharf als die jener Krieger, die sich den Weg erst freikämpfen müßten? Ob das Morden und Brennen und Schänden lieblicher sei, wenn ein Feind es vollziehe, dessen Kraft nicht durch Gegenwehr vermindert wurde? Wo denn die Frauen seien, über die hier beraten werde?
    Dann kamen die Frauen auf den Platz, an dessen Schattensaum sie gelauscht hatten. Helena hielt den Säugling hoch: Dies sei das Kind aller, Kind jeden Mannes aus Troja, wie sie jeden Mannes Gemahlin sei und alle Frauen, und ebenso sei jede Trojanerin Helena. Der Kampf werde bitter sein, aber nur wer kämpfe, könne gewinnen; wer daheim bleibe, wenn der Kampf beginne, habe bereits verloren, denn waffenlos kämpfe er für den Gegner. Sieg, sagte sie, oder ruhmvoller Untergang; oder Untergang ohne Ruhm. Denn achaische Speere würden ihren Leib – den Leib jeder Trojanerin – schänden, sobald die Tore offen seien, und achaische Speere würden ihr Kind – das Kind jedes Trojaners und aller Trojanerinnen – zerstückeln, gleich ob die Tore geöffnet oder erstürmt würden. Zwei Wege, sagte sie: Einer führe mit Gewißheit zu schmachvollem Ende, der andere führe vielleicht zum Tod, vielleicht aber auch zum Sieg und zum Leben.
    Dann schrie der Säugling, und sie öffnete das Gewand. Ein heller Umhang, mit roten Säumen, zusammengehalten von einer roten Schärpe. Der Umhang öffnete sich vorn, und Helena trug nichts darunter. Sie hob das Kind an eine dieser Brüste, o ihr Götter, und ließ es trinken, und unsere Augen, aller Augen tranken.
    Und die Frauen und Männer der Neustadt beschlossen, die Tore nicht zu öffnen.
    Die andere Gottheit, die zweite? Du kennst sie, Djoser – du, Rome, mußt sie kennen. Hier ist das, was ich erfahren konnte.
    In den Jahrhunderten des Handels – später des Herrschens – haben Leute deines Landes auch ihre Götter und deren Bilder mitgebracht, wenn sie in andere Städte kamen, nach Tyros oder Sidon zum Beispiel. Es müssen Männer aus Shedit dabeigewesen sein, und sie brachten Bilder des Gottes Sobek mit. Des Hapi-Gottes, der vier kleine Beine hat und einen gepanzerten Rücken und ein furchtbares Maul: des Gottes, den man auch »vierfüßiger Bauch« nennt. Irgendwie – und frag mich nicht wie, denn ich weiß es nicht – irgendwie hat sich bei Menschen, die euren großen Fluß Jotru oder Hapi nicht kannten und auch nicht das große gefräßige Flußtier, aus diesem Gott ein anderer entwickelt, den sie Drache nennen und Shubuk und dem sie, zu vermehrtem Entsetzen, längere Beine und Flügel gaben. Vielleicht haben sie auch gewisse Gepflogenheiten des Herrn der Stadt Tyros, Baal Melqart, in die Verehrung des neuen Gottes einfließen lassen: Baal, der Kinder frißt.
    Die Hethiter, die alle Götter aller von ihnen bereisten oder besiegten Länder aufnehmen, gewährten auch diesem Mischgott Gastrecht, allerdings ohne große Freundschaft. Nur einer beschloß, hinfort diesem Gott als beinahe einzigem zu huldigen. Du weißt, wen ich meine: Madduwattas, der Dunkle Alte von Arzawa, von dem wir nicht sprechen wollen.
    In diesen Tagen der Bedrängnis suchten viele Trojaner Zuflucht bei den Göttern. Und da die alten Götter sich der Hilfe enthielten, wandten sich viele an diesen oder jenen neuen Gott. Darunter war auch

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