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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dann über die Augen, sanken auf die Oberschenkel.
    »O ihr Götter«, sagte sie tonlos.
    BRIEF DES KORINNOS (VII)
    … All dies, o Djoser, haben wir aber siebenmal siebenmal beredet, und was ich verschwieg, hat der bisweilen redselige Assyrer gesagt, mein Schwertvater. Die Zeit seiner Abwesenheit wurde jedoch nicht lange erörtert, wenn ich nicht irre; dies mag daran liegen, daß die gewaltigen Dinge außerhalb der Stadt geschahen. Darum laß mich nun von Tashmetu singen, o Rome – ich weiß, du hörst dieses Lied besonders gern, wenngleich du zuweilen wähnst (und es ist ein Wahn, Freund), jemanden vom Gegenteil überzeugen zu müssen, indem du dir die Ohren mit Hapi-Schlamm verstöpselst.
    Hapi-Schlamm. Lehm des großen Flusses, Jotru-Schlick, nährende Erde von Tameri. Sie hat vieles genährt, nicht nur die Fürsten, die in großen spitzen Häusern im Jenseitswahn liegen, und die Arbeiter und Krieger, die für die Horos-Söhne diese Totenhäuser bauten, wenn nichts Dringenderes zu tun war und die Fürsten befürchteten, ohne Arbeit könnten die Krieger sich gefährlich langweilen. Sie hat auch euren Rausch und euren Wahn insgesamt genährt, Rome, und Teile eurer Ängste, die die Gestalt von Göttern annahmen. Reden wir also davon; besonders von jenem Gott, der in Shedit verehrt wird, dem Gott Sobek.
    Als nun das furchtbare Verhängnis (wer auch immer es verhängt haben mag, die Götter oder Odysseus oder Palamedes vor ihm) – jenes Verhängnis sich entlud. Entlud, wahrlich: wie eine von Gewittern übervolle Wolke, oder der weinschwangere Schwappwanst eines göttlichen Säufers. Die Pfauenfeder, kühn in den Rachen gerammt, kümmert es ebenso wenig wie ihn, welches Ungeziefer in der erleichternden Entladung vergeht. Vielleicht ergötzen sich die Götter beim Würfelspiel; die Würfel sind aus Menschenknochen geschnitzt. Dies beiseite – als die Heillosigkeit begann. Damit du siehst, daß es kein Versehen war, habe ich auch diesen zweiten Satz nicht beendet. Das haben die Götter getan, oder Odysseus: beendet. Meine kümmerliche Tinte…
    Als nun der schnelle, grausame Untergang der Stadt begann, war Ninurta nicht bei uns, und wie wir uns vorher an ihn gewandt hatten, blickten wir nun auf Tashmetu. Du weißt – wer wüßte besser als du –, daß sie die schönste aller Frauen war. Ein wenig ist sie dies noch heute; nein, nicht ein wenig, sondern sehr viel, möglicherweise viel mehr als früher, denn ist nicht die innere Schönheit, aus den Furchen sickernd, die das Reibeisen der Zeit in ein Gesicht geschrappt hat, weit gewaltiger als das, was einst unseren Verstand in die Lenden sacken ließ? Trösten wir uns damit, daß es so sei; es erspart dir und mir die vielen häßlichen Gedanken über alternde Männer, Djoser.
    Wir schauten auf Tashmetu, und sie schaute zurück. Ihre Augen stützten uns, ihre Worte leuchteten in der Nacht, und ihr Atem wehrte dem Frost, so daß wir nicht mehr zitterten.
    (Was soll ich sonst sagen? Die klügste aller Frauen nahm uns bei den Händen und führte uns?)
    Tashmetus Witz und Wärme. Dies ließ uns überleben. Und obwohl sie viel Kraft für sich brauchte, gegen Ninurtas Abwesenheit, für das Kind in ihrem Leib, war immer genug für uns da. Tsanghar sagte, sie sei zweifellos eine Göttin; wir konnten uns nur nie darauf einigen, welche der bekannten Göttinnen sie sein mochte. Denn es gibt grausame und fruchtbare, nahe und entrückte Göttinnen, aber kein mir bekanntes Volk verehrt eine Göttin für Witz und Wärme.
    An Göttern herrschte indes kein Mangel in Troja. Sie hatten die Raufbolde vom achaischen Olympos und die tausend Götter der Hethiter, die alten Stammesgötter der westlichen Luwier und seltsam kleine, um den eigenen Nabel gekrümmte Götter aus dem Norden – Götter wie aus geronnenem Speichel und Bernstein. Standbilder und Säulen und Altäre und Schreine; die Stadt (die richtige Stadt) war voll davon; an jeder Ecke zwei, und keine Kreuzung ohne vier, dazu die in fast allen Häusern. Und die in den Tempeln. Große Auswahl, Freund – eine gewaltige Götterauswahl für jene, die in der Not eine höhere Gewalt anflehen wollten. Und das wollten viele, wie immer, wenn Not ist; und wie immer hörte kein Gott zu. Oder wenn er zuhörte, lachte er anschließend und ging weiter.
    Tashmetu ging nicht, sie blieb. Zwei andere Götter blieben auch – nein, sagen wir drei, und der dritte ist der Herr des Kriegs, den die Achaier Ares nennen und die Assyrer Ninurta.

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