Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
alle wußten seit den ersten Zusammenstößen nach der Landung, daß die Stoßspeere zu kurz waren, um einen Gegner zu erreichen. Die wenigen Wagen dienten als Feldherrnhügel, oder, bestenfalls, als bewegliche Plattform für Bogenschützen. Krieger hätten namhaften Trojanern, natürlich ausnahmslos Söhne des Priamos, Speere seitlich durch den Helm ins Gehirn gestoßen; Aias habe einem gegnerischen Fürstensohn die Brust aufgerissen, und dieser oder jener einem Gegner den Speer von unten durch den Kiefer in den Gaumen gerammt und die Zunge an den Oberkiefer genagelt; dem Fürsten Diores habe ein trojanischer Stein Sehnen und Knöchel zerfetzt, so daß er hinfiel, und der Troer Pirous, der den Stein geworfen hatte, habe ihm mit dem Speer den Bauch geöffnet, so daß die dampfenden Nattern des Inneren auf das Schlachtfeld flohen; der Aitolier Thoas habe Pirous mit dem Speer getroffen und ihm den Bauch mit dem Schwert geschlitzt, sei dann seinerseits von den Thrakern, die Pirous geführt hatte, mit langen Speeren getötet worden. Jemand sprach von den wogenden Haarknoten der Thraker, die er gesehen haben wollte, obwohl er einräumte, daß auch sie im Kampf Helme trugen…
    Odysseus wollte den Assyrer mit zu den Fürsten nehmen, aber Ninurta zog es vor, bei den Shardaniern zu sitzen. Die von Odysseus den Befehl erhielten, ihn keinesfalls über den Fluß fliehen zu lassen – »wir wollen doch nicht, daß er morgen mit den Trojanern so tapfer gegen uns kämpft wie heute umgekehrt, nicht wahr?«
    Khanussu sagte, er habe zu Beginn der Schlacht den jungen Kashkäer ins Wasser gestoßen; Tsanghar sei heil ans andere Ufer gelangt und lebe. Die Söldner hatten das Ufer gehütet, vorrückende Trojaner mit Pfeilen zurückgetrieben, die unersetzlichen Geschosse aus den Gefallenen gezogen, Waffen und Rüstungen der Toten erbeutet.
    »Gutes Tag.« Das war einer der Fremden, mit denen Ninurta nie gesprochen hatte, weil sie keine der ihm geläufigen Sprachen verstanden. Offenbar hatte zumindest dieser Mann im Lager ein wenig Achaisch aufgeschnappt. Er zwinkerte mit seinen schrägen Augen. »Gutes Tag«, wiederholte er, nachdrücklich. »Feines gekämpfen, mächtig Beutemachen, ha!« Er patschte auf einen trojanischen Brustpanzer, der neben ihm lag und das Flackerlicht des Feuers golden brach.
    »Woher kommst du?«
    Der Mann wies in die Nacht, irgendwo hin, jenseits von Troja. »Weit weit Ost. Berg und Wüste und Steppe und Berg, ja? Dann hohe Berg mit Weiß. Dann Steppe und Sand. Winter frostlich etwa, Sommer Hitzung. Grasland – ah, wunder Grasland. Leben gut, aber hier Töten besser.«
    Irgendwann kam Ninurta taumelnd auf die Beine; er mußte eingenickt sein. Etwas hatte ihn geweckt, ließ ihn hochschrekken. Nichts Äußeres offenbar; die meisten Söldner schnarchten, einer der Fremden saß da, das krumme Schwert über den Knien, starrte ins Dunkel und bewegte lautlos die Lippen.
    Khanussu schien nicht geschlafen zu haben; er erhob sich mühelos, geschmeidig, und legte dem Assyrer eine Hand auf die Schulter.
    »Du denkst nicht etwa daran, abzuhauen, oder?« Ninurta schüttelte stumm den Kopf.
    Der Shardanier betrachtete ihn. Inzwischen war der Mond aufgegangen – ein fast voller Sommermond in einer warmen Nacht. »Dein erster Kampf?«
    »Nicht Kampf.« Ninurta sprach leise, mit brüchiger Stimme.
    »Gekämpft hab ich oft genug. Die erste Schlacht…«
    Khanussu seufzte. »Ich erinnere mich. Es ist herrlich, nicht wahr? Du fliegst, in deinen Adern brennt flüssiges Gold, die Unsterblichkeit ist greifbar. Und danach fühlst du dich wie…« Er hob eine Hand, fuhr damit durch die Luft, als müsse er Wörter suchen und haschen. »Wie… als ob man deine Seele zerlegt und mit rauhen Borsten gegen den Strich geschrappt und falsch zusammengesetzt hätte?«
    Ninurta nickte.
    »Dann ist schlecht sitzen. Komm, gehen wir ein wenig.«
    Hier und da stiegen wie Rauchfahnen Nachtnebel aus dem Boden. Träge Vögel flappten mit den Flügeln, ohne sich von der Stelle zu bewegen; einige krächzten, wenn die Männer ihnen zu nahe kamen. Ihnen und dem, worauf sie hockten: dunkle Wölbungen, von der Erde ausgespiene Mißgeburten. Schwarze Gestalten wanderten umher, überscharf gezeichnet vom Geisterlicht des Mondes – Umrisse wie Klingen, der Rest der Körper düstere Schwämme. Einige hielten spuckende Fackeln, die wie brennende Wracks tanzten und taumelten, wenn die Träger sich bückten, um etwas aufzuheben.
    Khanussu hatte das blanke Schwert in

Weitere Kostenlose Bücher