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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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stehen, stemmte sich gegen den Fluß der Leute, die vorwärtsdrängten. Ninurta blickte auf, sah, daß sie einen großen Beutel trug, ihren Reisebeutel.
    »Wohin willst du?« sagte er. Er mußte fast brüllen, um den Lärm der tausend Stimmen dort oben zu übertönen.
    Sie blinzelte, öffnete und schloß die verschiedenfarbigen Augen. Ein spöttisches Lächeln huschte über das Gesicht, aber die Stimme war inbrünstig, als spräche sie ein uraltes grausames Gebet.
    »Geh du heim, Herr, genieß das Heil und begatte die Schönheit; ich giere nach Finsternissen.«
    Dann war sie fort, weggerissen vom gestauten Strom, der weiterfließen wollte.
    Er wartete, bis der Damm wieder frei war. Als er oben stand und sich umwandte, sah er nur quirlende Körper; einzelne Menschen waren nicht zu erkennen. Drüben, weiter nördlich, wuchs das Pferdegerippe aus Menschengebein. Flüchtig dachte er an Mopsos mit dem Knochen, an Odysseus, der aufmerksam zu lauschen schien. Und an die Speisegewohnheiten von Mopsos’ Herrn, Madduwattas. Aber er wollte nur noch eines: in die Neustadt, wo Tashmetus Augen vielleicht die Fetzen seiner Seele zusammenfügen, Tashmetus Stimme seine Müdigkeit umfangen, Tashmetus Hände den Ekel und die Besudelung läutern würden. Tashmetus Sein, das die Welt fernhielt. Dabei wußte er, daß für sehr lange Zeit keine Berührung zärtlicher, inniger sein konnte als die einer feindlichen Klinge.
    Die Mauer, die das Tor vor Angriffen schützte, verschwamm und löste sich auf; und erstaunt begriff der Assyrer, daß er weinte.
    ERZÄHLUNG DES ODYSSEUS (VII)
    Denkt euch, ihr Milden, im Hades den Tartaros, dunkelster Abgrund, wo ich als schorfiger Wolf – als Eisenwolf, Rostgrind wie Räude –, schartiger Schatten des Löwen, der ich vor zehntausend Jahren angeblich war, die Rudel der Wölfe aus Schande und Schatten antrieb zum Kampf, zum Männerfraß, zum Frauenzerfetzen. Dort, so haben, wenn es sie gibt, die Götter beschlossen, werden mich Schatten von Schatten, mit Augen wie nächtliche Messer, auf ein Feuerrad binden, mit seinen Speichen verflechten und die brechenden Knochen, wo sie das Fleisch zerreißen, baden in flüssigem Gold und die Glieder mit Nattern umwinden…
    Was? Ich hätte im Schlaf gewimmert? Das kann nicht sein, o ihr Lieblichen; denn ich weiß, daß ich schreie. Morgen, sobald die warzigen Finger der Eos die Wimpern des Sonnengottes beflecken, brechen wir auf, getrennt, meine Gefährten und ich, in den goldbeladenen Schiffen. Deshalb will ich euch heute, zum Schluß, das Ende berichten.
    Denkt euch den Tartaros; denkt den räudigen Eisenwolf, der über das Feld geht, im aussätzigen Dunkel, wo Krähen von den Augen der toten Brüder naschen und Gewürm sich labt an dem, was bleibt, wenn nichts bleibt. Er ist auf Felsen gestiegen, der Eisenwolf, und hat in den Drachen geheult, den andere, Glücklichere, für den Mond halten. Langsam, unendlich langsam ist er durch Schlamm gewatet, der schmatzt und ihn nicht freigeben will. Er durchquert Flüsse, senkrechte Flüsse aus Blut und Eiter, und irgendwann, nach langem Steigen kommt er in eine Gegend, in der die Sonne scheint und Pflanzen wachsen.
    Ich bin in die Stadt gegangen, ehrenhafter Fürst der Krieger zum ehrenhaften König der Krieger. Mit einer Botschaft, die morsch war und stank, aber die Nase des Priamos roch längst nichts mehr.
    Häuser, versteht ihr? Häuser mit Mauern und Öffnungen und Eingängen. Tische in den Häusern, und Bettgestelle, bespannt mit Leder und bedeckt mit Kissen und sauberen Tüchern. Krüge voller Wein und Bier, andere Krüge, in denen man Getreide aufbewahrt oder Früchte. Menschen, die traurig oder zornig oder hoffnungsvoll auf Odysseus blickten. Saubere Menschen in sauberer Kleidung, keiner von ihnen fett, aber alle wohlgenährt. Keine Scharten, keine Räude – Kämpfe und Verluste werden Scharten gewetzt haben, innen, aber nichts davon war zu sehen.
    Heile Häuser. Bettgestelle, auf denen Männer und Frauen einander ergötzen können und edle Kinder zeugen. Tische für Platten voller Nahrung – ah, ich rieche noch heute den Duft von gebratenem Fleisch, von Tunke mit Sahne und Kräutern, von heiterem Wein. Stühle, auf denen sie sitzen können, und Becher, die nicht zerbrochen sind und den Wein ungemindert zum Mund bringen – guten Wein, nicht Essig. Goldschmuck in Ohren, Goldringe an Fingern, Goldplatten auf den Tischen, und Ketten aus Gold mit allerlei Geschmeide an Hals und Armen. Herrliche Frauen, lachende

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