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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zu Niemand. Niemand hat, mit Hilfe der Arzawer, ehrlos die Stadt ausgetilgt. Niemand war bei euch, ihr Holden, und die Gefährten des Odysseus segeln morgen heim, reich an Ruhm und Beute; Odysseus aber, der Niemand ist, wird aufs Festland gehen und mit den grauen Horden ziehen, die jetzt alle Länder verwüsten.
    Ihr habt es bemerkt, ihr Klugen? Ich hätte es mir denken können… Ja, es fehlt noch eines, der letzte Grund. Muß ich ihn nennen, da ihr doch schon… Nun gut.
    Wenn die dürstenden Geister all der Erschlagenen (dürstend, lechzend nach Rache, begierig, endlich selbst zu erschlagen) mich auf das Feuerrad binden, will ich, wenn ich an Troja denke, den Nattern und Knochensplittern zuflüstern können: Damals war Niemand ein Mann; die Arbeit, die man ihm auftrug, hat er vollkommen getan – er ging den Weg bis zum Ende.

15. PFORTEN DER FINSTERNIS
    Tage, köstliche Tage der Ruhe; heißes Wasser, Öl, duftender Sud; frische Tücher, um den abgemagerten Leib geschlungen; Brot – richtiges Brot, gebacken zu knusprigen Fladen, gerollt, gefüllt mit gebratenem Fleisch und Kräutern. Brot, nicht in Wasser gequollene Körner. Ruhen, schlafen, Wein trinken, reden. Und köstliche Nächte.
    Zwei Nächte gab es, und einen Tag. Tashmetu fing ihn auf, als er vom Platz in die Gasse und von der Gasse ins Haus taumelte. Sie bettete ihn auf einen Haufen aus Decken und Fellen, und er schlief bis zum Abend.
    Dann fand er vieles. Er fand, daß er nicht reden konnte – nichts Wesentliches sagen, jedenfalls. Er mußte alles in sich aufstauen; ein Wort, und die Dämme wären geborsten, die Flut hätte ihn erstickt. Er fand, daß er kaum Speise aufnehmen konnte, und nach zwei Schluck Wein stellte er den Becher ab, denn ihn schwindelte. Er fand, später, daß alles Feuer im Kampf verglommen war und nicht genug Hitze blieb, die Lenden zu beleben, so sehr auch Tashmetu Hand und Mund und Schoß bemühte. Er fand, daß seine Hände zu besudelt waren, sein Mund von Ekel befleckt, so daß er Tashmetu kaum berühren mochte. Er fand, daß heißes Wasser, Öl und Düfte nicht halfen.
    Er fand sie die Göttin der Neustadt. Tashmetu hatte die Schätze gehütet und gemehrt, die Seeleute und Tsanghar und Korinnos gelenkt; sie hatte es verstanden, in der Kargheit (trotz allem kamen Waren aus dem Hinterland, trotz allem reichten sie nicht aus) dafür zu sorgen, daß niemand hungern mußte. Seit fast vier Monden, seit kurz nach dem falschen Zweikampf, kamen die Männer und Frauen der Neustadt zu ihr, wenn sie Rat brauchten, und holten sie zu den Beratungen mit Unterführern und Lenkern des Heers und der Verbündeten. Priamos war weit, auf dem südlichen Ufer des Simois, und schickte keine Ratsherren; wenn es Streit gab, wandte man sich an Tashmetu, nannte sie Herrin und Fürstin und Richterin und, bisweilen, Mutter.
    Zwei Monde vor dem Tag der Niederkunft war ihr Körper prall; und Ninurta fand sie schöner denn je.
    Tsanghar und Korinnos wiesen stolz Stapel und Berge von Rollen vor, gefüllt mit Geschichten und Zahlen und Namen aus der Vergangenheit der Stadt, mit Gesetzen und Überlieferungen, alle zusammengetragen von Korinnos, alle hundertfach von Tsanghar mit seinen beweglichen Zeichenstempeln auf die Binsenmarkblätter gedrückt.
    Korinnos hatte sich verändert; er war gewachsen, fast erwachsen. Tsanghar sprach zunächst nicht viel – Lamashtu, die sein Lager geteilt hatte, schien ihm zu fehlen, und sie kam nicht zurück. Er zeigte dem Assyrer seine letzte Erfindung, durch die das Reiten und vor allem der Kampf zu Pferde befördert werden sollten: eine Lederdecke mit Gurten, festzuschnallen unter dem Bauch des Pferdes – dies war nicht neu, wohl aber der Zusatz, ein weiterer Gurt auf jeder Seite, mit Schlaufen am Ende, in die der Reiter die Füße stellen konnte. Schneller aufsteigen, schneller absitzen, und beim Kampf mit Speer oder Bogen weniger Kraft darauf verwenden, sich mit den Beinen am Pferd festzuklammern. Ninurta war beeindruckt, sagte aber dann, es seien so viele zu Fuß gestorben, daß er einige Zeit brauchen werde, um Gefallen an einer Erfindung zu haben, durch die das Töten zu Pferd erleichtert würde.
    Ein Tag der Ruhe. Was immer draußen vorging, berührte ihn nicht. Er konnte ein wenig mehr zu sich nehmen, aß und trank und döste und aß wieder. Tashmetus Augen und Stimme heilten ihn, ein wenig jedenfalls, aber er mochte oder konnte noch immer nicht reden, berichten, sich leeren.
    Am nächsten Morgen sagte sie ihm, was

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