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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zu tun sei – wie sie es seit Monden allen anderen hatte sagen müssen. Ninurta, der froh gewesen wäre, als Tashmetus Schatten zu leben, da er den eigenen ums Überleben gegeben hatte, mußte aufstehen und sich ankleiden und über den Fluß gehen.
    »Priamos muß wissen, was du weißt, Liebster«, sagte sie, immer noch entsetzt von den wenigen Worten, die er über Odysseus, Mopsos und die Nachrichten der Seeleute geäußert hatte. »Er darf diesem Frieden nicht zustimmen. Du mußt gehen. Ich würde ja gehen, aber er wird mir nicht glauben.«
    »Meinst du, er glaubt mir?«
    »Vielleicht.«
    Tsanghar und Korinnos gingen mit. Sie überquerten den Simois mit einem kleinen Kahn, machten am gemauerten Kai des Südufers fest, sprachen mit den Wachen und gingen in die Stadt.
    Es war seltsam, ein unbehaglicher Traum, die Stadt von innen zu sehen, die so viele tötende und sterbende Männer ausgespien hatte. Gepflasterte Straßen, auf denen Menschen gingen, die nicht verwundet oder von Dreck und Blut besudelt waren. Einige lachten, wenn sie miteinander sprachen; vielen sah man an, daß sie trauerten, denn kaum eine Familie konnte es geben, die nicht wenigstens einen Mann, Sohn, Bruder oder Vater verloren hatte. Feste Häuser statt zerfetzter Zelte oder Decken unter gnadenlosem Himmel. Ein alter Handwerker, der vor seinem Laden saß und aus weichem Holz feine Figuren schnitzte, ohne das Messer in Kehlen stoßen zu müssen. Auf einem kleinen Platz, schon halb am Südhang des Burgbergs, spielten im Schatten von Bäumen, die nicht Feuerholz waren, johlende Kinder.
    Es war nicht schwer, zu Priamos zu gelangen; ein Wächter nannte den königlichen Beamten den Namen des Assyrers, und ein alter Ratsherr mit Umhang aus weißem Leinen, mit gesticktem roten Saum und gehalten von einer goldenen Spange, kam zum Tor des Palasts, um Ninurta zu geleiten.
    Priamos saß auf dem schweren Thronsessel aus uraltem Eichenholz, verziert mit Knäufen und Einlagen: Gold und Elefantenbein. Die linke Hand des Greises, die immer wieder leicht zuckte, lag auf der Armlehne, wo sie manchmal nach dem nächsten Knauf tastete; die rechte, im Schoß, auf dem golddurchwirkten Tuch des Umhangs, hielt eine lederne Scheide, aus der der Goldgriff eines Dolchs lugte.
    »Assyrer«, sagte Priamos. Seine Stimme war alt und grau und zermürbt; die buschigen weißen Brauen überschatteten die Ansammlung von Runzeln, die sein Gesicht war. Ninurta glaubte, in den Augen einen Rest der alten Tücke und Kraft zu sehen.
    »Laß mich dich ehren, Herr von Ilios.« Ninurta kniete vor dem Thron.
    »Steh auf. Es mußten zu viele tot liegen, die lieber lebend gekniet hätten; wozu sollst du nun knien, da mir an deinem Leben und Knien gleich wenig liegt?«
    Ninurta stand auf, taumelnd, aber ohne Tsanghars Hilfe. Er blickte seine Begleiter an. »Wenn der König es erlaubt, werdet ihr euch entfernen. Was zu sagen ist, ist nur für seine Ohren.«
    Priamos bewegte die linke Hand. »Geht. Mein Ratgeber auch?«
    Ninurta zögerte. »Es könnte sein… Andererseits betrifft es das Schicksal der Stadt; es wäre vielleicht gut, wenn der edle Metrodoros zuhörte.«
    Priamos deutete auf einen verzierten Armstuhl; der Ratsherr ließ sich nieder. Es war offenbar nicht vorgesehen, daß der Assyrer sich setzte.
    »Mukussu, den die Achaier Mopsos nennen, ist mit Schiffen und Männern angekommen«, sagte Ninurta. Seine Stimme klang hohl im großen Thronsaal.
    »Der Gehilfe des finsteren Madduwattas?« Metrodoros beugte sich vor. »Wir haben doch gehofft, daß…«
    Priamos zischte leise; der Ratsherr verstummte.
    »Sprich weiter, Händler.«
    »Wie du willst, Herr. Mukussu berät sich mit Odysseus. Zwei Nattern, die den großen Biß bereden.«
    Priamos blickte auf, zur getäfelten Decke, vier Mannslängen über ihnen; seine Blicke suchten, besuchten die Standbilder alter Herrscher an den Wänden, ließen sich zu kurzer Rast auf Bänken nieder, kehrten zu Ninurta zurück.
    »Nattern?« Etwas wie Hohn klang mit. »Die edlen Fürsten sind also Nattern? Nun denn. Ist das alles?«
    »Seeleute in der Bucht haben mit einigen Männern des Mukussu gesprochen. Wie zuvor mit Männern, die zum Gefolge deines Neffen Memnon gehörten und die wie er den Überfall des Ungeheuers Achilleus nicht überlebten.«
    Die Finger der rechten Hand krampften sich kaum merklich um den Dolchgriff. Irgendwo im Palast war eine keifende Frauenstimme zu hören.
    »Sagen die Seeleute etwas von Bedeutung? Etwas, was über die

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