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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Unheilsverkündungen jener Tochter hinausgeht, die du dort schreien hörst?«
    »Ich weiß nicht, was deine Tochter sagt, Herr, deshalb kann ich die Dinge nicht vergleichen.«
    Priamos blickte den Ratsherrn an; Metrodoros hüstelte.
    »Die edle Kassandra«, sagte er langsam, »sieht einen erntevernichtenden Hagel, sobald eine Wolke sich zeigt. Sie verkündet eine Springflut, wenn Westwind das Meer ans Gestade treibt. Jede Geburt ist Anlaß für sie, das Schlüpfen eines Ungeheuers zu beschwören. Wenn ich heute niese, werde ich morgen im Fieberwahn sterben. Als Parisiti mit Helena heimkehrte, sagte sie den unmittelbaren Untergang der Stadt voraus – der Boden werde sich auftun und Ilios verschlingen. Seit zwei Tagen behauptet sie, das heilige Pferd des Bogenschützen, Leierspielers und Rossetummlers Apollon, das in der Ebene gebaut wird, werde die Stadt in Pferdeäpfeln ersticken.«
    Er lachte kurz und trocken. »Die Achaier bauen es, und wir werden an diesem Pferd, in der Ebene, gemeinsam den Göttern opfern und den Frieden beschwören.«
    »Die Seeleute sagen nichts dergleichen; sie wissen wenig von Äpfeln eines heiligen Pferds und neigen bisweilen zu Aberglauben, aber selten zu unabänderlicher Finsternis des Denkens.«
    »Finsternis des Denkens…« Priamos schnalzte leise. »Ja, sie war immer schon finster. Sprich weiter. Was sagen die Leute?«
    »Sie sagen, daß viele eurer Schiffe bei Alashia im Sturm gesunken sind, Herr, und von den übrigen seien die meisten entweder nicht mehr seetüchtig oder in Händen der Feinde. Eure Flotte wird euch nicht zu Hilfe kommen.«
    Priamos schwieg.
    Metrodoros kicherte plötzlich. »Oh all die Verluste.« Er kicherte weiter; dabei rannen Tränen über sein Gesicht. »Hier. Bei Alashia. Aber die Schiffe, Assyrer, sollten erst gegen Ende des Herbsts heimkehren – erst dann, wenn ihre Arbeit getan ist, sofern wir nicht vorher nach ihnen schreien. Wir haben nicht nach ihnen geschrien, und wenn nun nur wenige heimkehren, werden wir klagen – klagen, hörst du? Aber es hat, über das Klagen hinaus, keine Bedeutung, denn es wurde ein Waffenstillstand beschlossen.«
    »Willst du nicht wissen, in Händen welcher Feinde die übrigen Schiffe sind?«
    Priamos nickte stumm.
    »Männer des Madduwattas, als Kämpfer an Bord, haben sie übernommen und eure Söhne und Brüder getötet. Der Dunkle Alte von Arzawa hat den Kampf gegen die Hethiter eingestellt, auch zu Land. Er hat Mukussu zu den Achaiern geschickt. Er wird euch nicht helfen. Und…« Ninurta sprach nicht weiter; etwas stieg ihm in der Kehle auf.
    »Es ist bitter«, knurrte Priamos. Wieder schrie Kassandra in einem anderen Raum des Palasts. »Bitter, aber nicht zu ändern.
    Jetzt nicht zu ändern.«
    »Du sagtest eben ›und‹, Assyrer.« Metrodoros musterte ihn unter hängenden Lidern.
    »Die Botschaft der Könige, Herr – die Botschaft, die du mir gabst und mit einem Kräutertrank in mir versperrt hast. Es war die Botschaft an den König in Ashur. Gold sollte ich ihm bringen.« Ninurta lachte kurz. »Und immer habe ich mich gefragt, woher so viel Gold? Ich konnte mich nicht an derart reichen Handel erinnern.«
    Priamos grunzte leise, sagte aber nichts.
    »Dein Bruder Tithonos ist tot, wie du weißt. Sein Sohn Nabju hat keine Macht – keine, die dir helfen könnte. Dein Sohn, o König, ist ebenfalls tot. Der Sohn, der in Ashur als Geisel und Pfand lebte und dessen Name, den fast niemand weiß, der Schlüssel war, der meine Erinnerung aufschließen sollte. Aber ein Trank, von kundigen Frauen bereitet, hat mir all dies erschlossen.«
    »Wir wissen, daß der Sohn tot ist. Deine Frau hat es gesagt.« Metrodoros schüttelte den Kopf, als ob er sagen wollte: Was soll das Getue?
    »Ihr wißt aber nicht, was mit ihm geschehen ist, nicht wahr?« Priamos’ Hand krampfte sich wieder um den Dolch; weit weg – diesmal, dem Klang nach, auf einem Gang – zeterte Kassandra.
    »Ist denn nicht ein Tod wie der andere?« sagte der Ratsherr.
    »O nein, Metrodoros. Es gibt den jungen und den alten Tod. Den langsamen Tod, der dich gründlich zerkaut, ehe er dich frißt, und den schnellen. Den edlen und den entsetzlichen. Dies sagt Enlil-Kudurri-Ushur, Herr der Assyrer: ›Sag Prijamadu, daß ich für das Gold danke und die Fragen verschmähe. Wir werden die Hatti nicht angreifen, um Wilusa zu helfen; wir werden warten, bis einer geschwächt überlebt hat. Diesen werden wir vernichten. Sag ihm, ich schicke ihm Eisen für das Gold. Seine

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