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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ihren Fahrten berichteten und viele ergötzliche Geschichten erzählten. Geschichten, wie man sie nur in jenen Gebieten hören oder leben konnte, die sie in diesem Sommer besucht hatten – Gegenden ohne Verheerung.
    Später, bei vollendeter Sättigung und beginnendem Rausch, gaben Kir’girim und Kal-Upshashu Auskunft über den Aufenthalt des Odysseus und seiner Männer, über die Gelüste und Gelage und Gelächter und Geschichten. Sie sagten, als ihnen klar geworden sei, welche wunderbaren Ganzlügen und Halbwahrheiten der Ithaker erzähle, hätten sie Adapa und Botres gebeten, im Nebenraum zu lauschen und abwechselnd, Satz um Satz, alles aufzuschreiben.
    »Entsetzlich«, sagte der Kuschite; seine dunkle Haut wurde noch schwärzer, als er übermäßig stöhnte ob der Erinnerung und dann in dröhnendes Lachen ausbrach. »Die Sachen, die er erzählt hat, alles sehr fein, ja; aber was die Frauen zwischendurch mit ihm angestellt haben, und wir die ganze Zeit daneben! Also, ich war hinterher immer ganz geschwollen und mußte ersprießliche Höhlungen suchen.«
    Es gab zwei Ausfertigungen der Niederschrift; eine sollte Djoser erhalten, für sein großes Erinnerungswerk, das er in den Wintern ergänzte und auf den Fahrten mitnahm.
    »Zu deiner Beruhigung«, sagte Kir’girim. »Oder zu euer aller Gemütsfrieden: Ihr wißt ja, es gibt Getränke, Tränke, Trünke und Gebräu, nicht wahr? Wir haben Odysseus und seinen Männern etwas zu trinken gegeben. Sie werden die Insel nie wieder finden.«
     
    Es war ein guter Winter, mild und freundlich, mit vielen Abenden des Erzählens, Nächten des Ergötzens und Tagen des Beratens. So gut, daß Ninurta kurz vor Beginn des Frühlings in einer Nacht, als Tashmetu und er wieder zu Atem gekommen waren, leise keuchend sagte:
    »Wir sind auf dem Gipfel, nicht wahr? Ich weiß nicht, ob unser Leben je besser war. Es kann also nur schlechter werden, und irgendwie bin ich fast sicher, daß in diesem Jahr etwas Furchtbares geschieht.«
    Sie kicherte und biß in sein linkes Ohrläppchen. »Sollte ich dich ab sofort Kassandros nennen?«
    »Ha. Kassandra? Was immer aus ihr geworden ist, ich glaube, sie hat die Zukunft immer viel zu licht gesehen.«
    Diesmal lief die Kerets Nutzen als erstes Schiff aus. Sie hatten Erzeugnisse der Schmiede geladen, vor allem Werkzeug und Werkzeugteile (Sägeblätter, Hammerköpfe, Pflugscharen, Meißel), und in Ialysos übernahmen sie von Menena Getreide, aber auch allerlei Saatgut. Mit dem Südwind des späten Vorfrühlings wollten sie nach Norden, möglichst ohne Aufenthalt bis zu den Meerengen von Ilios. Ninurta hatte die Länder nordöstlich der Engen, am Nebelmeer, noch nie bereist – Kolchis, oder die Städte an den Mündungen der großen Flüsse aus dem Norden, wo Bernstein und kostbare Tierfelle herkamen. Auch diesmal gelang es ihm nicht. Als sie die Küste der Trojaner erreichten, schlug der Wind um, und es war beschwerlich genug, bis dorthin zu rudern, wo einst der Hafen gewesen war.
    Eineinhalb Jahre Wind und Wellen hatten genügt, große Teile dessen, was die Achaier bei ihrem Aufbruch noch unzerstört zurückgelassen haben mochten, gänzlich nutzlos zu machen. Die bei den Kämpfen beschädigten Lagerhäuser waren nur Trümmer, die gemauerten Kaianlagen eingesunken, das Bekken voll verrottender Wracks, dazu Stein und Schutthaufen, Wasserpflanzen und Schlick, von den Flüssen ins Meer gespült, von der Strömung unterhalb der Flußmündungen am Ufer verteilt. Am flachen Strand neben dem alten Hafen lagen zwei kleine Frachtschiffe – Skythen – und einige Fischerboote. Ein Teil des fruchtbaren Schwemmlands der Ebene wurde notdürftig bestellt; weiter oberhalb, auf den einst frucht und dann todtragenden Feldern westlich des Skamandros, weideten Pferde und wenige Rinder. Wo auf dem rechten Ufer des Simois die Neustadt gelebt und geatmet und geliebt und gelitten hatte, breitete sich tückischer Sumpf aus, in dem – wie sie in den folgenden Tagen hörten – viele Menschen umgekommen waren, als sie versuchten, aus allenfalls noch zu ahnenden Resten alter Grundmauern Dinge zu bergen, die sie dort einmal versteckt hatten. Auch von den gemauerten Kais und Häusern des Flußhafens war kaum noch etwas zu sehen: ein paar Mauerreste, eine geborstene Säule, eine nasse Lehmschicht.
    Am Südwesthang des Burgbergs zogen sich ein seichter Graben und eine aus Trümmern gefügte Mauer um die neue Stadt. Ein Dorf, eher, in dem vielleicht tausend Menschen versuchten,

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