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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Schiffen, der Beute und der unvergleichlichen Helena in einen Sturm segeln sehen. Agamemnon erreichte Mykene, mit den Männern und den unermeßlichen Schätzen der Plünderung; sie wurden begrüßt, freudig begrüßt, mit Blumen geschmückt, mit Wein und Braten willkommen geheißen. In der Nacht nach der Heimkehr starben viele Krieger in qualvollen Krämpfen, denn im Wein war Gift gewesen. Agamemnon hatte gelacht, als seine Gefangene, Kassandra, ihn beschwor, auf keinen Fall zu baden, da im Badewasser zuviel Eisen sei. Er ließ sich von der geliebten Gemahlin, Mykeniertochter Klytaimnestra, Schwester der Helena, Mutter der Iphigeneia – von Klytaimnestra ließ er sich ein Bad bereiten, heißes Wasser, Duftstoffe, Öl, Salben, in einer Wanne aus lauterem Gold; und als er sich lustvoll seufzend im Wasser entspannte und in Vorfreude ächzend die Augen schloß, um besser zu genießen, was Klytaimnestra ihm murmelnd an nächtlichen Wonnen verhieß, nahm sie die Axt, die Aigisthos ihr reichte, und spaltete dem großen Agamemnon in seiner goldenen Wanne den Schädel. Es hieß, sie hätten ihm auch das Gemächt abgeschnitten und dem Volk gezeigt. Überall in Achiawa die gleichen Greuel, kaum einer der Heimkehrer hatte die Möglichkeit, sich seines Überlebens und der Beute zu erfreuen. Wenige Ausnahmen – Athen, zum Beispiel, aber fast alle anderen Orte…
    »Weiß man, was aus Odysseus geworden ist?«
    Keleos lächelte. »Darüber wird man dir auf eurer Insel mehr sagen können.«
     
    Die Babilunierinnen grinsten wie satte Raubkatzen; weniger heiter gaben sich Adapa und ein auf Kythera gezeugter Kuschite namens Botres, der zu den Schreibern und Rechnern gehörte. Die beiden hatten eine Arbeit übernommen, die ihnen, wie sie sagten, arge Beherrschung aufzwang. Sie berichteten am ersten Großen Abend, als alle unversehrt zur Insel heimgekehrt waren und Ubarija mit seinen Leuten ein Festmahl im Speiseraum auftischte: Berge kleiner und großer Schalentiere, ganz gekocht oder schon geknackt und zu Fleischmus verarbeitet, mit prikkelnden Tunken; allerlei Fische, gebraten, gekocht, gedünstet, von süßsäuerlichen Gemüsen umzingelt; Ferkel, Lämmer und zwei gemästete Hunde, letztere in einer Kruste aus Brotkrumen und Honig; scharf gewürzte Bällchen aus gehacktem Fleisch und Kräutern; in Öl treibende Kugeln aus frischem Schafs und älterem Ziegenkäse; süße Mischungen aus Dickmilch, Honig und Früchten. Und Wein, Wein, Wein. Jemand hatte den sumerischen Schild poliert, der glänzte und das Licht der Fackeln und Öllampen mehrend brach. Das Feuer im großen gemauerten Kamin gab weiteres Licht, vor allem aber Wärme, ebenso wie einige Bronzebecken voll glimmender Holzkohlen. Zaqarbal erschien mit einem Näpfchen voll roter Farbe, ging zum Ishtar-Standbild und brachte die Brustwarzen der Göttin zum Glänzen.
    Mitten auf dem Tisch, umgeben von Goldscheiben, Ringen, geriffelten Barren, verschlungenen Ketten und anderen feinsten Goldarbeiten stand der schwere leuchtende Löwe. Oder vielleicht ein anderer, der dem ersten vollkommen glich. Ninurta betrachtete das wunderbare Kunstwerk: die Pranken, den unter die Hinterbeine gezogenen Schwanz, jedes einzelne Haar der Mähne, die tiefrot glühenden Steine der Augen. Und er haßte den Löwen. Wenn es jener war, mit dem Agamemnon einen Teil des tödlichen Eisens bezahlt hatte – jener, von dem Ninurta inzwischen annahm, daß Odysseus und Agamemnon ihn bereits zu dem frühen Zeitpunkt ausgesucht hatten, um ihn irgendwann einmal von ihren Männern »finden« zu lassen –, dann war er nicht aus Gold geformt, sondern aus verkrustetem Blut und geronnenen Todesschreien. Wenn dieser Löwe ein genaues Ebenbild des ersten war, bestand er aus geschmolzenem Frauenfleisch und Leim aus Kinderknochen.
    Ninurta stieg auf den Tisch, kniete, rutschte zur Mitte, packte den schweren Löwen, den er allein so nicht heben konnte (vier Talente? oder noch mehr?), zerrte ihn über das kreischende Holz; dann war Korinnos neben ihm, und Tsanghar kam dazu.
    »Was soll damit geschehen?« sagte Minyas; seine Augen waren voller Gier und Bezauberung.
    »Einschmelzen«, knurrte Ninurta.
    »Aber… bei allen Göttern!« Molione hob die Hände. »So ein wunderbares Kunstwerk!«
    »Einschmelzen.«
    Sklaven trugen den Löwen aus dem Saal.
    Zu Beginn des Mahls war er schweigsam; Tashmetu, die neben ihm saß, mußte ihn beinahe füttern, damit er etwas aß. Nach und nach besserte sich seine Laune, als die anderen von

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