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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ist?«
    Ninurta hatte versucht, sie davon abzubringen; niemand wisse, wer wirklich den Befehl gehabt habe, Madduwattas sei nicht dabeigewesen…
    »Aber für alles verantwortlich, Ninurta«, sagte Kynara. »Sein Schatten vergiftet noch den sanftesten Kuß, den Zaqarbal und ich teilen. Nicht zu reden von den weniger sanften.«
    Keine zwei Monde her, seit im Herbst die Schiffe nach Yalussu heimgekehrt waren, zu kurzer Rast vor der endgültigen Heimkehr zur Insel. Ninurta hatte ihnen den restlichen Weg ersparen wollen, aber viele wollten oder mußten mit eigenen Augen sehen, was auf der Insel geschehen war. Nun standen sie in den winterlichen Bergen. Kaum jemand redete, alle sammelten Kraft und Atem. Er sah Angst und Erwartung, Haß und Entschlossenheit, bei einigen auch ungelöscht glimmende Reste des Ekels, den alle empfunden hatten, als er ihnen von der Neumond und Vollmondnahrung des Dunklen Alten erzählte. Zum Glück, dachte er, können die meisten inzwischen auch darüber Witze machen.
    »Los!« sagte er. »Ihr wißt Bescheid. Wenn die Götter uns gnädig sind, dürfen wir heute unbesudelt sterben. Wenn nicht, sprechen wir uns.«
    Einige lachten. Tsanghar blinzelte schnell; Korinnos hielt den Bogen, den er eben gespannt hatte, wie eine widerliche Schlange von sich. Aspasia. Deianeira. Tuzku. Bod-Yanat. Minyas. Zaqarbal, ein gefrorenes Lächeln um die Lippen. Djoser, ernst, den Speer in der Rechten, links an der Hüfte ein Schwert. Kaidu. Khanussu. Die Söldner.
    »Ich gehe voran«, sagte der Assyrer. Als Khanussu widersprechen wollte, setzte er hinzu: »Assyrer gehen immer voran.« Im letzten rötlichen Zwielicht erreichten sie den Zugang zur Hochfläche. Khanussu, Kaidu und zwei andere Bogenschützen knieten neben Ninurta. Als sie wieder ruhig atmeten, sagte Khanussu etwas über den Wind und die Entfernung, aber Ninurta hörte nur Gemurmel und das Rauschen in den Ohren. Eine fahle Erinnerung an die Adlerschwingen, die einen anderen Ninurta in die rauschenden, berauschenden Höhen des Kampfs getragen hatten… Dann stiegen vier Pfeile, gegen den Wind, gegen die restliche Steigung, um zwei Wächter verstummen zu lassen. Nur einer ging fehl; die drei anderen genügten.
    Die Hütten. Die Zelte. Das Drachengerippe. Nichts schien sich geändert zu haben; hier und da brannten Feuer, an denen Krieger saßen. Eines loderte neben dem Drachen. In den Hütten und Zelten ebenfalls Licht, und – undeutlich im jaulenden Wind – von überall Stimmen.
    Lautlos huschten sie zwischen den Behausungen hindurch. Ein paar Pfeile, stiller Tod im schneidenden Wind, das übrige war Messerwerk. Hier und da sah Ninurta Klingen, von denen rotes Feuer troff oder sprühte. Als er sich dem Königszelt näherte, das immer noch eine düstere Riesenkuppel war, wurde er von einem der Wächter am Vordach – einer Zeltbahn auf Holzsäulen – angerufen. Aber der Ruf endete in einem Gurgeln, als der Assyrer rechts hinter sich Khanussus Bogensehne seufzen hörte. Der zweite Wächter sank langsam, wie ein Turm, aus dessen Grundmauern der eine entscheidende Stein genommen wird. Aus dem Schatten löste sich eine Gestalt mit wehenden Gewändern, einer der scheußlichen Priester des grausigen Gottes Shubuk; Ninurta empfand das Schwert, das er in den Priester stieß, als Körperteil, und das Eindringen der Klinge als schwindelerregende Erlösung.
    Dann waren sie im Zelt, im würgenden Weihrauch, in den rötlichen Lichtschwaden. Priester, immer mehr Priester, als kämen sie von einer Feier. Andere Gerüche, siecher Gestank von Fleisch, überlagert oder durchsetzt von Kräutern. Ninurta bildete sich ein, im Kopf eine gelbe Stichflamme zu sehen; er wollte an etwas Bestimmtes denken, etwas, das mit der Höhle von Kir’girim und Kal-Upshashu zu tun hatte. Dann drängte sich der Gedanke an das Neumondmahl des Dunklen Alten dazwischen; er hatte gehofft, vorher einzutreffen, aber es schien schon vorbei zu sein. Wenigstens war es nicht mehr im Gang. Und wieder, ungenau, ein Erinnern an loderndes Gelb.
    Kein Erbarmen mit den Priestern, hatten sie gesagt. Sklaven sind zu schonen, wenn es geht; Krieger müssen getötet oder entwaffnet und gefesselt werden. Die Priester dürfen nicht überleben, kein einziger, und ihr Tod muß nicht schnell und sauber sein.
    Er nahm die Geräusche wahr, das Klirren von Waffen, da viele Priester keineswegs wehrlos waren, laute oder leise Schreie, Schritte, dumpf stürzende Körper oder Dinge.
    Aber er sah nur dies. Den Thron, auf dem

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