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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Gedärme zu begradigen. Gib es her!«
    Ninurta legte die Hand um den Griff des Dolchs. Etwas wisperte in ihm, aber er verstand es nicht. Langsam zog er die Waffe aus der Scheide.
    »Eure Insel, nebenbei – sie wußte davon, ich nicht.« Madduwattas lächelte. Die Zähne in dem jungen Gesicht waren alt, faulige Stümpfe; ein übler Hauch wehte von ihnen herüber.
    Tashmetu bewegte sich, ganz langsam. Sie legte die Hand auf Ninurtas Rechte. »Laß mich es ihm geben«, sagte sie, mit schwerer Zunge.
    Ninurta ließ den Griff los; Tashmetu nahm den Dolch.
    Sie tat einen kleinen Schritt, noch einen; dann streckte sie sich in einen tiefen, erlösenden Stich. Das Messer drang in die Brust des Dunklen Alten.
    Der Bann wich; Ninurta kam taumelnd auf die Beine, fing die taumelnde Tashmetu auf, hörte das Ächzen, das fassungslose Ächzen ringsum, als die anderen ebenfalls wieder zu sich kamen, sah Khanussu den Bogen spannen.
    Und sah eine knochige Greisenhand nach dem Griff des Messers tasten. Seine Gedanken führten einen rasenden Rundtanz auf. Er erinnerte sich an den Abend, an dem er den Trank zu sich genommen hatte, der den Schattendrachen enthüllen sollte. An den anderen Abend davor, als Kräuter ihm gelbes Licht gaben und den Willen lähmten und Tashmetu nur benommen war. An einen Abend und eine Nacht, unendlich lange zurück, lange vor den beiden anderen Erinnerungen:
    Kir’girim, die eine Handvoll Harz und Kräuter und gelbes Licht auf ein Kohlebecken streute; und später, als er genug von der stickigen Luft eingeatmet hatte, sagte Kal-Upshashu, er solle sich ausziehen und auf den Händen gehen. Er hatte es getan, ohne zu wissen, warum, und danach hatte er andere Dinge getan, erfreulichere, mit Kir’girim und Kal-Upshashu, und immer waren ihre Stimmen gedämpft gewesen, tiefer als sonst; und der dicke Rauch. Es wäre nicht nötig gewesen, hatte er ihnen später gesagt, nicht nötig, ihn zu verhexen; es wäre ihm eine Wonne gewesen, all das wie schon zuvor freiwillig zu tun, bis auf eines…
    Tashmetu löste sich von ihm; sie ging zurück zum Thron, stieg die Stufen empor und beugte sich über die zusammengesunkene Gestalt. Dann lachte sie: ein trostloses, entsetztes Lachen. Mit spitzen Finger riß sie am Hals des Herrschers. Als sie sich umdrehte, zeigte sie ihnen die junge Menschenhaut, die er über das Gesicht gestreift haben mußte. Darunter ein uraltes, böses Gesicht. Ein totes Gesicht.
    Tage später verließen sie die Hochfläche, mit den überlebenden Kämpfern des Madduwattas und mehreren hundert Sklaven und zwanzig Knaben. Sie alle trugen schwer, an den Erinnerungen – Erinnerungen an Grauen und Ohnmacht – ebenso wie an den unermeßlichen Mengen Goldes, das sie mitnahmen, und an dem Bedauern, die noch größeren Mengen, die sie zurückließen und später holen wollten, nicht gleich mitnehmen zu können.
     
    Irgendwann unterwegs, als sie wieder im Tal waren, erzählte Ninurta Tashmetu von den Erinnerungen an Kir’girim und Kal- Upshashu, von jener lange zurückliegenden wilden Nacht, über die sie bisher nur Anspielungen gehört hatte. Es tat ihm gut, von etwas Heiterem zu sprechen; Tashmetu lachte leicht (inzwischen konnten sie wieder lachen), zog die Decke, die beide gemeinsam gegen die Winternacht schützte, noch ein wenig enger und sagte: »Und was war das, was du nicht freiwillig getan hättest? Es muß ja sehr ausgefallen gewesen sein, da du doch sonst nichts gegen Einfallsreichtum bei der Liebe hast.«
    Er grinste in die Dunkelheit. »Bei allen Göttern, an die ich noch immer nicht glaube, schwöre ich, ich wäre niemals freiwillig auf den Händen gegangen.«
     
    Drei Jahre lang suchten sie, von Ialysos aus, nach Spuren. Minyas kam nicht zurück, mit seinen Männern und der Gorgo vor der Küste Kilikiens verschollen; Molione gab irgendwann auf; Zaqarbal und Djoser suchten schließlich sogar im Westen, aber sie fanden nichts. Nur einmal, in den Trümmern des verwüsteten Tarsa, wo nichts mehr an Buqar und sein Haus, seine scharfzüngige Frau, den rettenden Kellerraum erinnerte – nur dies eine Mal gab es so etwas wie eine Spur, oder wenigstens einen Hinweis. Amphilochos, wichtigster Feldherr des Mukussu, der sich nun nur noch Mopsos nannte und dort, wo er Städte zerstört hatte, neue baute und nach sich benannte, Mopsuhestia, Mopsukrene, Mopsophiloi, Mopsupolis… – Amphilochos, der außerhalb der Ruinen von Tarsa sein Lager aufgeschlagen hatte und auf Gesandte eines Fürsten wartete, wußte

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