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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Kritias war damals, wie er sagte, fast an die Neunzig heran. […] Der alte Mann sagte, wenn Solon schon das Dichten nicht als Nebensache, sondern wie andere mit vollem Ernst betrieben und die Sage, die er aus Ägypten mit hierherbrachte, ausgeführt hätte, nicht aber durch Aufstände und anderes Ungehörige, was er bei seiner Rückkehr hier vorfand, das liegenzulassen genötigt worden wäre; dann hätte wohl, meiner Meinung nach, weder Hesiodos noch Homeros noch sonst ein Dichter einen höheren Dichterruhm erlangt als er. […] Es ist in Ägypten im Delta, an dessen Spitze der Nil sich spaltet, ein Gau, der der Saitische heißt und dessen größte Stadt Sais ist. Sie hat eine Schutzgöttin, in ägyptischer Sprache Neith, in hellenischer, wie jene sägen, Athene geheißen. Die Bewohner aber sagen, sie seien große Athenerfreunde und mit den hiesigen Bürgern gewissermaßen verwandt. Dorthin, erzählte Solon, sei er gereist, habe eine sehr ehrenvolle Aufnahme gefunden und, als er die kundigen Priester über die alten Zeiten befragt, erkannt, daß weder er noch sonst einer der Hellenen von dergleichen Dingen das geringste wisse. Einmal habe er aber, um sie zu Erzählungen von den alten Zeiten zu veranlassen, von den ältesten Geschichten des hiesigen Landes zu berichten begonnen, vom Phoroneus, den man den Ersten nennt, und von der Niobe, ferner nach der Wasserflut die Sage von Deukalion und Pyrrha. Er habe ihre Nachkommenschaft aufgezählt und, indem er der bei dem Erzählten verstrichenen Jahre gedachte, die Zeitangaben festzustellen versucht. Da habe ein hochbejahrter Priester gesagt: ach Solon, Solon! Ihr Hellenen bleibt doch immer Kinder, zum Greise aber bringt es kein Hellene. – Wieso? Wie meinst du das? habe er, als er das hörte, gefragt. – Jung in den Seelen, habe jener erwidert, seid ihr alle: denn ihr hegt in ihnen keine alte, auf altertümliche Erzählungen gegründete Meinung noch ein durch die Zeit ergrautes Wissen.
    Davon liegt aber darin der Grund. Viele Vernichtungen der Menschen haben stattgefunden und werden stattfinden, die bedeutendsten durch Feuer und Wasser, andere, geringere, durch tausend andere Zufälle. Das wenigstens, was auch bei euch erzählt wird, daß einst Phaethon, der Sohn des Helios, der seines Vaters Wagen bestieg, die Oberfläche der Erde, weil er die Bahn des Vaters einzuhalten unvermögend war, durch Feuer zerstörte, selbst aber, vom Blitze getroffen, seinen Tod fand, das wird wie ein Märchen berichtet; das Wahre daran beruht aber auf der Abweichung der am Himmel um die Erde kreisenden Sterne und der nach langen Zeiträumen stattfindenden Vernichtung des auf der Erde Befindlichen durch mächtiges Feuer. Dann pflegen demnach diejenigen, welche Berge und hoch und trocken gelegene Gegenden bewohnen, eher als die an Flüssen und dem Meere Wohnenden unterzugehen, uns aber rettet der auch sonst uns Heil bringende Nil durch sein Übertreten aus solcher Not. Wenn dagegen die Götter die Erde, um sie zu läutern, mit Wasser überschwemmen, dann kommen die Rinderund Schafhirten auf den Bergen davon, die bei euch in den Städten Wohnenden dagegen werden von den Strömen in das Meer fortgerissen. Hierzulande aber ergießt sich weder dann noch bei andern Gelegenheiten Wasser von oben her über die Fluren, sondern alles pflegt von Natur von unten herauf sich zu erheben. Daher habe sich, sagt man, das hier Aufbewahrte als das älteste erhalten. […] Bei euch und andern Völkern dagegen war man jedesmal eben erst mit der Schrift und allem andern, dessen die Staaten bedürfen, versehen, und dann brach wie eine Krankheit eine Flut vom Himmel über sie herein und ließ von euch nur die der Schrift Unkundigen und Ungebildeten zurück, so daß ihr wieder gewissermaßen zum Jugendalter zurückkehrt, ohne von dem etwas zu wissen, was so hier wie bei euch zu alten Zeiten sich begab. Was du daher eben von den alten Geschlechtern unter euch erzähltest, o Solon, unterscheidet sich nur wenig von Kindergeschichten. […] So wißt ihr ferner auch nicht, daß das unter Menschen schönste und trefflichste Geschlecht in euerm Lande entsproß, dem du entstammst und euer gesamter jetzt bestehender Staat, indem einst ein winziger Same davon übrigblieb. Das blieb vielmehr euch verborgen, weil die am Leben Erhaltenen viele Menschengeschlechter hindurch der Schrift ermangelten. Denn einst, o Solon, vor der größten Verheerung durch Überschwemmung, war der Staat, der jetzt der athenische heißt, der

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