Troja
durch Heiraten und Verträge zu gegenseitigem Beistand verbunden und sicher keineswegs bereit, sich in einen unüberschaubaren Krieg ziehen zu lassen; die zahlreichen Stadtfürsten von Achiawa (Athen, Pylos, Mykene, Argos, Sparta…), Nachfolger der mykenischen Herrenschicht, allesamt gierige, nach Gold und den Gütern und Märkten des Ostens lechzende Achaier; Wilusa, das die Achaier Ilios nannten, reiche und mächtige Stadt, die den Achaiern diese Gebiete versperrte; Madduwattas, durch Verrat und Verträge und Heiraten aufgestiegen vom Herrn über ein Dutzend Dörfer zum mächtigsten Mann westlich des Hethiterreichs; die Fürsten von Alashia, Mykenier allesamt, vor den Achaiern auf die Kupferinsel geflohen (zweifellos nicht zur Freude der alten Einwohner dort), nun von den Hethitern vertrieben und zu alten Verwandten, Freunden, Feinden (Mykeniern, Achaiern, Luwiern) aufs Festland geflohen, wo sie Söldner warben, um ihre Insel zurückzuerobern, wo sie aber zugleich versuchten, die Küstenlande, Ilios und das mächtige Arzawa zum Landkrieg gegen die Hethiter zu bringen… Wer noch?
»Wie wird sich Ugarits Herrscher verhalten?« sagte Alexandras. »Diese Frage hat mich hergebracht.«
»Hamurapi ist Verbündeter des edlen Shupiluliuma von Hatrusha.« Rap’anu brachte das Kunststück fertig, sachlich und höhnisch zugleich zu klingen. »Wie wir alle wissen, haben die Hatti uns vor langer Zeit zu Freundschaft und Liebe gezwungen. Wir erwidern diese hethitische Liebe – selbstverständlich. Der Gesandte in Ugarit sorgt dafür, daß Hamurapi, wie seine Vorfahren, nicht nur auf das Wohl der Stadt bedacht ist. Und ebenso der Statthalter in Karkemish – du weißt, daß die Mitanni nicht mehr von eigenen Fürsten gelenkt werden, sondern von Verwandten des Königs in Hattusha, nicht wahr?«
»Und in Karkemish gibt es Truppen.« Keret stützte sich auf die Ellenbogen. »Immerhin, es wird dem König teuer, wenn auch nicht lieb sein, zu erfahren, daß die Achaier…«
Er brach ab, als plötzlich Stimmen und polternde Schritte unten im Hof zu hören waren, dann auf der Treppe. Der Vorhang wurde beiseitegeschoben. Ein Sklave stürzte herein, gefolgt von vier Bewaffneten. Das Gepolter und Gerede im Hof dauerte an; dort schienen noch mehr Männer zu warten.
»Herr«, sagte der Sklave; er kniete neben Kerets Lager.
»Vergib, aber…«
Keret brachte ihn durch eine Handbewegung zum Schweigen. »Welchen Sinn hat diese Dreistigkeit?« sagte er. Seine Stimme war eisig, die kalte Klinge von Macht und Reichtum. Jäh schien der Raum sich abzukühlen.
»Um Vergebung, Fürst des Handels.« Der Anführer der Bewaffneten trug als Helmbusch einen gestutzten Roßschweif, der ihn als maryannu auswies, Streitwagenlenker; die übrigen waren Angehörige der Palastwache. »Der König selbst hat dies angeordnet, sonst…« Seine Augen glitten über die Liege weg zu den beiden Achaiern, die auf einer gepolsterten Bank an der Wand saßen. Mit der Spitze des blanken Schwerts in seiner Rechten deutete er dorthin. »Wir haben den Befehl erhalten, einen Verbrecher und seine Gefährtin festzunehmen.«
»Verbrecher?« Keret wandte den Kopf, schaute zur Frau auf der Bank, zu Alexandros, der sich erhob, zum alten Ratsherrn, dessen Gesicht verschattet und unkenntlich war; dann streifte er Ninurta, Zaqarbal und Djoser mit dem Blick. »In meinem Haus?«
»Wer sind deine Gäste, Herr?« sagte der maryannu .
Tashmetu stand mit einer geschmeidigen Bewegung vom Lederkissen auf. »Ich bin die Herrin des Hauses«, sagte sie mit der warmen, leicht heiseren Stimme, nach der sich Ninurta so lange gesehnt hatte. »Dort sitzt der Handelsherr Awil-Ninurta, neben ihm seine Geschäftsfreunde Zaqarbal und Djoser. Sie vertreten ein Handelshaus aus Yalussu auf der Insel Roddu. Sie sind von Hamurapi zu ›Händlern des Königs‹ ernannt worden – wie der Ratsherr Rap’anu bestätigen kann. Die beiden Gäste dort sind Achaier aus Pylos – Araksandu und seine Gemahlin Hhalini.«
Der Hauptmann räusperte sich. »Zweifellos haben sie sich so vorgestellt, Herrin. Es gibt aber eine andere Geschichte mit anderen Namen.«
Keret wies auf Rap’anu und ließ sich in die Kissen sinken. Der Ratsherr betrachtete den Achaier, der knapp hinter Ninurta stand, die rechte Hand am Griff des Schwerts, dann den maryannu . »Sag uns deine Fassung, Krieger.«
»Sie ist lang, die Geschichte.«
»Wer sollen sie denn sein, wenn nicht die, die sie sind?« sagte Tashmetu.
Der Hauptmann
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