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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wird, ohne im Binnenland den großen Krieg zu beginnen. Es heißt, Prijamadu habe Botschafter zu den achaischen Fürsten geschickt, um deren Stillhalten zu erbitten. Hochrangige Gesandte, darunter einige seiner Söhne.«
    »Er hätte uns also die Wünsche seines Vaters als Wirklichkeit verkauft, vorhin?«
    Ninurta räusperte sich. »Als das geschehen sein muß«, sagte er mit schwankender Stimme, »waren wir in Men-nofer. Deshalb weiß ich nichts davon. Es hieß nur, als wir von Roddu losgesegelt sind, im Frühjahr, daß sich die achaischen Fürsten zu einer Beratung in Gunussu [Knossos] versammeln wollen, auf der langen Insel, die sie Kreta nennen.«
    »Dann wäre Parisiti als Botschafter in Städte gereist, deren Fürsten gar nicht da waren?« Keret verzog das Gesicht. »Und die Frau?«
    »Wir wissen doch, wie diese Dinge ablaufen.« Rap’anu warf Ninurta einen spöttischen Blick zu.
    »Manalahhu…« Ninurta grinste leicht. »Nach dem, was ich gehört habe, muß er ein bäurischer Emporkömmling sein. Menelaos der Öde, nennen sie ihn auch. Vielleicht hat die Frau sich einfach gelangweilt.«
    »Sie sind ein Feuer, ein Dämon und ein Wahn in zwei Körpern.« Tashmetu sah keinen an, als sie sprach. »Sie wäre auch mit ihm gegangen, wenn dieser König dagewesen wäre, und auch, wenn er der anregendste Gemahl wäre.«
    »Ist das so? Ah, Frauen sehen so etwas. Männer sehen höchstens die Hälfte, und auch das ist bisweilen zuviel.« Keret rieb sich die Augen. »Aber was machen wir damit?«
    Rap’anu ließ sich vorsichtig auf den Rand von Kerets Lager sinken. »Schwierig, schwierig… Er ist der Feind unseres obersten Herrn und Verbündeten. Er hat einen befreundeten König getötet, ehrlos, als Gast. Wir können ihn nicht freilassen. Aber… können wir ihn festhalten? Ausliefern?«
    Zaqarbal sprach aus, was alle dachten. »Am besten, er wäre nicht hier, oder? Ihr müßt ihn fangen, weil sonst Shupiluliuma zürnen wird. Aber wenn die Hethiter den Krieg verlieren und Ugarit neue Bündnisse sucht, wäre es nicht gut, den Sohn des Siegers ausgeliefert oder getötet zu haben.«
    Ninurta dachte wieder an die unvergleichliche Frau, dann an den Königssohn… Vielleicht war es wirklich kein Wahn, kein Leichtsinn gewesen, nach Ugarit zu kommen, sondern der Wind – Zwang. Er kaute auf der Unterlippe; Tashmetu sah ihn an.
    »Du siehst aus wie ein assyrischer Händler, der gleich einen Vorschlag machen wird, mit dem er Ugarit, die Hethiter, die Achaier und die Wilusier gleichzeitig befriedigen und übertölpeln kann«, sagte sie.
    Ninurta lachte. »Du ehrst mich über Gebühr, Herrin – aber ich weiß einen Weg. Er hat… seinen Preis.«
    Rap’anu nickte. »Der König wird jeden Preis zahlen, wenn man ihm gut zuredet.«
    Ninurta stand auf. »Ich muß ein wenig darüber nachdenken. Wirst du mich morgen empfangen, Berater des Königs?«
    Rap’anu hob die Brauen. »Wie könnte ich deinen Besuch verschmähen, Assyrer? Um die dritte Stunde nach Sonnenaufgang?«
    »Gern.« Ninurta ging zum Vorhang, bückte sich und nahm das Geschenk auf, das er Keret noch nicht hatte überreichen können. Er löste die Schnüre und wickelte es aus.
    »Herr, Freund und Vater«, sagte er, als er neben dem Lager stand. »Ich weiß, daß deine Nächte kalt sind. Magst du diesen Bären zum Wärmen nehmen? Er hat weit im Norden gelebt, und sein Fell ist dick.«
    Es war der prächtige, dicke, dunkelbraune Pelz eines gewaltigen Bären aus den Bergen weit nördlich von Achiawa; die Krallen baumelten an den innen sorgsam gegerbten Beinen des Tiers, und im ebenfalls von erfahrenen Händen aufbereiteten Kopf glitzerten die mächtigen Zähne.
    Keret lächelte. »Ich danke dir, mein junger Freund. Dies ist wahrlich ein Zeugnis wärmender Zuneigung. Nicht zu reden von vorteilhafter Geschäftstüchtigkeit.«
    Ninurta lachte laut; die anderen fielen ein. »Mit deiner Erlaubnis, o gewärmter Fürst aller Feilscher, werde ich mich nun zurückziehen, mich von der Reise reinigen – und denken.«
    Die Bilder vermischten sich. Tashmetu, die nachts kam und bei ihm lag und sagte, Keret habe gesagt, er wolle allein schlafen – Tashmetu, die sich über ihn beugte und sagte: »Noch einmal? Genieße ich, was Helena erregt hat?« Der Vogel, der wieder auf dem Baum saß und gräßlich grölte, die flackernden Feuer in der Nacht und in der Lende, die wilden Augen der Frau aus dem Norden, die wilden Augen der Frau aus Sparta, Tashmetus Lippen und die zuckenden Lippen von

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