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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Achiawa, Handel und Gespräche mit den langhaarigen Achaiern in Argos, in den Häfen von Kythera, die Weiterfahrt ins kleine Westmeer bis Ithaka und nördlich davon, das Feilschen mit Odysseus, später die Sturmfahrt, ein ganzer Mond in Ugarit, die Nächte mit Tashmetu… Noch ein Inselwinter, danach die Reise ins Pyramidenland und westlich davon zu den Libu, wo er eine Ladung jenes seltsamen Krauts namens sulufu einhandelte, aus dem die beiden Herrinnen der Kräuter auf der Insel, Kal-Upshashu und Kir’girim, tausend Zaubertränke und Arzneien machen konnten, und ein ganzer Winter in Ugarit. Das dritte Jahr: von Ugarit zur Insel, von dort die Küste entlang nach Norden, bis Ilios, dann von den thrakischen Häfen die Küsten entlang bis Athen und Argos und wieder zur Insel. Das vierte Jahr: von der Insel nach Tameri, von dort nach Nordosten zu den Chanani- Häfen, wo Djoser sein großes Schiffsgeschäft gemacht hatte, nach Ugarit.
    Da war etwas. Etwas hinter den Gedanken, hinter den Erinnerungen. Er grub in sich (was er haßte), wühlte, förderte tausend halbwichtige Dinge zutage und zehntausend Nebensächlichkeiten. Immer wieder war es, als ob an einer Ecke im Irrgarten des Erinnerns der Schwanz jenes Nagetiers lauerte, das sich durch die Schatten ans Licht fressen wollte, aber sobald er die Ecke erreichte, waren Schwanz und Tier verschwunden.
    Awil-Ninurta fluchte lautlos, zog sich zurück, sprach kaum mit Djoser und Zaqarbal, und wenn die drei ehemaligen Sklaven Lamashtu, Tsanghar und Adapa ihn fragten, was sie mit ihrer Freiheit tun oder lassen sollten, vertröstete er sie auf Ugarit. Die Aufsicht über den Zug ließ er Djoser und Zaqarbal; er grübelte, wenn er ritt, und er wühlte in sich, wenn sie abends rasteten. Das scheußliche Nagetier entzog sich, um an anderen Stellen seines Geistes weiterzubeißen. Er stellte es sich zuerst vierbeinig vor, mit grauem Fell, langem Schwanz, spitzen Zähnen und kleinen bösen Augen. Dann gab er ihm sechs Beine und Augen aus Feuer. Zähne aus schartiger Bronze. Schließlich erhielt das Tier faltige Fledermausflügel und einen Saugrüssel, mit dem es zwar nicht ins Freie kam, ebensowenig wie mit den Zähnen (gelbe Hauer mit Widerhaken), aber zweifellos sog es mit diesem Rüssel jene Erinnerungen auf, die er nicht finden konnte.
    Sie waren da. Schatten hinter Schatten im dunkelsten Teil eines verdämmernden Zwielichts. Manchmal bildete er sich ein, sie nähmen Gestalt an, um winken und kichern zu können. Er sammelte die Gedanken zu einem Stoßtrupp, legte Breschen in die Wälle des (meistens gnädigen) Vergessens, listete die Jahre auf, dann die Monde, die Tage, gelangte zu den Nächten, die voll waren von Tashmetu und, weniger deutlich, von anderen Frauen, von nächtlichen Flügen mit Kal-Upshashu und Kir’girim, die Kräuter, Geschäfte und Männer miteinander teilten und ihm scheußliche Trünke gaben, damit er besser fliegen und öfter lieben konnte, und manchmal verbrannten sie auch Kräuter, deren Rauch grelle Bilder vor oder hinter den Augen entstehen ließ und dem, der ihn atmete, den Willen nehmen konnte… Er schob die Nächte beiseite.
    Er sah, was er nie wieder hatte sehen wollen. Den Zusammenbruch der Herrschaft des Königs Tukulti-Ninurta, des Königs Flucht aus dem rasenden Aufruhr von Babilu. Das brennende Haus und die stinkende, kreischende, wirbelnde, lodernde Fackel, die sein Vater war. Die Flucht nach Norden, gehetzt von den kassitischen Kämpfern und den Babiluniern, die den verhaßten Assyrern keine Heimkehr erlauben wollten. Zuflucht hier und da, und Hunger inmitten der wenigen verbliebenen Krieger, die den König und seine Familie mit ihrem abnehmenden Leben und schwindenden Kräften schützten. Trügerische Sicherheit in Ashur – trügerisch, weil das von anderen Fürsten gesammelte Heer die Grenzen sicherte und die Babilunier zurückschlug, weil dann aber immer weniger Fürsten dem König gehorchen wollten, der Babilu verloren hatte. Der Tag der Abrechnung, als sie Tukulti-Ninurta aus dem Palast zerrten und später, wie er hörte, auf der Flucht erschlugen. Aber sie erschlugen auch alle, die im Palast gewohnt hatten – oder fast alle. Er sah sich, zwölfjährig, gegen die Arme und Hände des Großvaters kämpfen, des Großvaters, der ihn zum Schweigen bringen, bändigen, retten wollte; aber Awil-Ninurta wollte nicht schweigen, nicht fliehen, wollte zur Mutter, die sie mit anderen Frauen im Hof des Palasts pfählten. Und während er die Schreie

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