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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Kette hinter ihrem Nacken und ließ die Arme sinken; die schwerste Goldscheibe mit Ishtars nacktem Leib ruhte zwischen ihren Brüsten.
    »Es ist wunderbar«, sagte sie leise.
    »Und ich kann es dir ohne Heimlichkeit geben.«
    Tashmetu deutete auf den Beutel, aus dem Ninurta den Schmuck geholt hatte. »Da ist doch noch etwas…«
    »Nicht für dich, aber ich zeige es dir. Gleich. – Sag mir erst, wie sicher du bist.«
    »Sicher?«
    »Es soll, hörte ich, schon vorgekommen sein, daß Verwandte des verstorbenen Gemahls der Witwe das Erbe mißgönnen.«
    Sie lachte. »Du hast nie den Fehler gemacht, den lebenden Keret zu unterschätzen. Nun unterschätz nicht den Toten.« Keret, wichtigster und reichster Handelsherr von Ugarit , Freund und Berater der Könige, war mit nicht ganz 70 Jahren einer Krankheit aus Kälte und Auszehrung erlegen. Wucherungen im Leib, sagten die Heiler, die ihn nicht heilen konnten. Seine erste Frau war kinderlos gestorben; vor fünfzehn Jahren hatte er die schöne vierzehnjährige Sklavin Tashmetu freigelassen und zu seiner zweiten Frau gemacht. Rap’anu und König Hamurapi selbst hatten seinen letzten Willen bestätigt, in dem Keret Tashmetu als Gattin verstieß und als Kind annahm. Ugaritischen Gepflogenheiten folgend, und um Anfechtungen vorzubeugen, hatte er Tashmetu zum Sohn erklärt.
    »Du bist der einzige Knabe, den ich je geliebt habe«, sagte Ninurta. Er gluckste. »Alter gerissener Dämon! Du bist nun also der Handelsherr Tashmetu, voll geschäftsfähig und ohne Neider?«
    »Ohne Neider nicht, aber die Neider sind machtlos. – Was ist da noch in dem Beutel?«
    Der Assyrer setzte sich auf. »Geschäfte vertragen sich nicht immer mit Gefühlen. Ich werde ja auch wieder nach Wilusa reisen, und nach Achiawa.«
    »Und in Wilusa wirst du Helena sehen. Ich weiß. Ist das für sie?«
    Er nickte. »Sie wird es nicht mögen, aber…« Er holte ein gefaltetes Tuch aus dem Beutel und gab es Tashmetu.
    »Schwer«, sagte sie, ohne das Tuch aufzuschlagen. »Wieso wird sie es nicht mögen?«
    »Ich habe es bei einem Handwerker in Ashur gesehen. Der König…« Er stockte einen Atemzug lang; es war, als ob das Nagetier in seinem Geist fauchte und kratzte. »Der König hat ihn mir genannt, als kunstfertig und von düsterem Gemüt. Die Westler aus Achiawa werden ohne Zweifel den angeblichen Raub der Königin von Sparta als Ausrede nehmen und Wilusa angreifen. Eine zu große Verlockung. Aber durch Helena und Parisiti und den einen Dämon in zwei Leibern wird alles noch schlimmer.«
    Tashmetu faßte nach der Ishtar-Scheibe zwischen ihren Brüsten. »Was kann noch schlimmer sein als ein großer Krieg?«
    »Ein Krieg, in den Männer ziehen, weil sie etwas erreichen wollen, wird irgendwann einmal enden. Wenn man ihnen aber sagt, der Sohn des feindlichen Königs habe ihre Ehre geschändet, werden sie nicht brennen und morden und sengen, bis sie das Ziel erreicht haben, sondern bis das Ziel nicht mehr Teil der Welt ist. Sie werden Ilios nicht plündern, sondern vernichten und jeden Mann, jede Frau, jedes Kind niedermetzeln. Deshalb… dieses Geschmeide für Helena.«
    Tashmetu öffnete den Knoten, der das Tuch zusammenhielt. Dann stieß sie einen Laut des Entsetzens aus.
    Auf feinem Silberdraht saßen feine kleine Knochen: die Knochen totgeborener oder gleich nach der Geburt verstorbener Kinder. Und Teile von drei kleinen Schädeln, durch uqnu - Stücke getrennt.
    Tashmetu verknotete das Tuch wieder. Lange Zeit sagte sie nichts. Ninurta trank, aber der Wein schmeckte so, wie er sich die Ausscheidungen des üblen Nagetiers in seinem Geist vorstellte.
    »Es gibt da noch etwas«, sagte Tashmetu leise. »Etwas, worüber zu reden ist.«
    Er sah sie stumm an.
    »Meine Neider sind machtlos, wie ich sagte; aber… auch du hast welche. An sehr hohen Stellen. Es kann sein, daß sie einen lebenden Awil-Ninurta nicht aus Ugarit hinauslassen werden. Nur einen toten.«
    ERZÄHLUNG DES ODYSSEUS (I)
    Hilf mir, Muse, Geschichten zu spinnen, die euch bestricken: Wortnetze, die euch umfangen – wie mich eure garstigen Trünke fesseln, die Männer zu Hengsten machen und Krieger zu Schweinen. In die farnverhangenen Höhlen allen Entzükkens schob ich ungern den schäbigen Halm der redlichen Rede; Glut euren Grotten, das Zauberschwert in eure Scheiden, den Ohren nicht karge Wahrheit (was ist Wahrheit?), sondern das Staunen.
    Wo fang ich an? Warum nicht vorn, am Ende des Anfangs, oder… Na schön, wie ihr wollt; dann reden wir

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