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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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war, an einem anderen Ort der Welt solche Pracht sehen können wie damals in Sparta. Männer, die mit Pferden sprechen konnten, waren da, und Baumeister von Palästen und Labyrinthen. Fürsten, die zehntausend Krieger ins Feld schicken konnten – Gebieter über tausend Streitwagen – Herren über fünfhundert Kriegsruderer – und Odysseus, kluger Wanderer und Besitzer grüner Hügel und feister Schweine sowie eines Bogens. Man brachte Löwen und Elefanten – zwei Elefanten, Memnon brachte sie mit –, und der düstere Madduwattas schenkte ihr einen Thronsessel aus Menschenknochen, bezogen mit Skythenhaut. Nabju der Assyrer, Sohn des Tithonos, brachte hundert silberne Nachtigallen, die zwitscherten, wenn man sie anhauchte, und hundert lebende Nachtigallen, die stumm waren, denn er ließ ihnen die Zungen herausschneiden und daraus ein wundersam gewürztes Gericht für Helena bereiten. Der Hethiter häufte Gold zu ihren Füßen auf und hüllte sie in ein Gewand aus Pfauenfedern und Silberdraht. Ein Libyer, Fürst der westlichen Libu-Völker, brachte Kräuter und einen Teppich, gewoben aus den Schamhaaren all der Feinde, die er getötet hatte.
    Es gab auch Wettkämpfe – man sang, lief, sprang, schoß mit Pfeil und Bogen, schleuderte Speere, zähmte Rosse; einige regten an, in öffentlicher Paarung den unermüdlichsten Freier zu ermitteln.
    Und Helena? Sie lächelte, bis die Stadttore bröckelten und seimig waren. Ich sah sie und erblaßte und wandte mich ab; was konnte ich gegen all die Gaben aufbieten? Einen Schinken, einen Krug Wein, die geschliffenen, verzierten, zu Trinkschalen geformten Schädel einiger tyrsischer Seeräuber. Meine Beredsamkeit, die nimmermüde Zunge.
    Wie sie war? Wie sie immer noch ist, die Unvergleichliche? Wollt ihr eine Beschreibung des Unbeschreiblichen? Als ob man mit ein paar trüben Tranlampen die Sonne wiedergeben könnte, mit Ried und schwarzer Tinte die Farbenpracht einer Frühlingswiese! Mit Sandkörnern die Flugbahn eines Pfeils. Soll das Niesen einer Feldmaus den allgewaltigen Zeus und seinen Donner darstellen, mein Fingerschnipsen ein Erdbeben, Hasenköttel die aufgetürmten Paläste von Knossos?
    Oder meine mühseligen Worte, verloren im Hauch der Grotte, diese… Göttin? Aphrodite. Schwarzes Feuer. Schlüpfriges Schreiten. Frischgeschmolzenes Gold, vermengt mit Sahne und Kinnamon, das ist ihre Haut. Zuviel, unendlich zuviel Frau in zu wenig köstlicher Haut; als ob sie überall durch die eigene Haut nach außen dringen müßte. Augen wie eine mondlose Nacht, voll ferner Sternsplitter, die kein Ikaros je erreichen kann. Ach.
    Was soll ich sagen? Nie wurden in einer Stadt so viele Kinder gezeugt, nie der Aphrodite so viele Handopfer dargebracht. Wer sie sah, dem wurde der Schurz eng und die Brust weit.
    Tausende trugen, wenn sie sie geschaut hatten, ihren Phallos durch Sparta, begatteten Mauerritzen, molken sich beidhändig, den Boden zu letzen, schwängerten Standbilder, klommen auf Ziegen.
    Menelaos… Der arme, dumme, sture Menelaos, tölpelhafter jüngerer Bruder des dumpfen Agamemnon. Er brachte nicht viel mit, nur Gold und Silber, und ich sah ihn sich in Ecken ergießen und eine vom Blitz gespaltene Linde anstöhnen und in eisige Bäche steigen, die dann zu dampfen begannen. Und als ich mich von dem erbärmlichen Anblick abwandte, sah ich Penelope mit einem Krug auf dem Kopf zum Brunnen schweben, die Hände an den Hüften, ein ebenso kluges wie spöttisches Lächeln um die Lippen. Penelope, Tochter von Periboia und Ikarios, dem Bruder des Tyndareos. Penelope, Nichte des Königs von Sparta. Kluge Augen, die Witz und Wärme bargen – Wärme, die Glut werden kann, aber auch Behagen und Heim und Sorge – Wärme, wie menschliche Wesen sie brauchen und wie die Göttin, die Helenas Leib behaust, sie niemals wird geben können. Sie sah den gespannten Rücken von Menelaos und die tanzenden Ellenbogen, und sie grinste leicht. Dann sah sie mich an, blickte zu meinem Schurz hinab, klackte mit der Zunge und schöpfte Wasser aus dem Brunnen. Den vollen Krug hielt sie in den Händen, als sie zurückkam, abermals mit der milden Zunge klackte und mir dann einen Schwall kalten Wassers über den Leibschurz schüttete.
    »Ich weiß nicht, ob es hilft«, sagte sie, mit einem schnellen strahlenden Lächeln, »aber vielleicht bist du noch zu retten. Der da« – sie meinte Menelaos – »ist hoffnungslos hinüber.« Und so ließ sie mich stehen, begossen, mit klaffendem Mund und zweifellos

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