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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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und Fürsten, und manchmal, wenn keine Schweine zu scheuchen oder Seeräuber zu schlachten oder Reben zu treten waren, bin auch ich zu anderen Fürsten gereist. Ich bin immer gern gereist, denn unterwegs trifft man allerlei Schurken, die vor dem Einschlafen fesselnde Dinge erzählen – so anmutig oder wild, daß sie einen morgens, da man sich ihrer entsinnt, für die Besitztümer entschädigen, die der früher aufgewachte Herr Schuft hat mitgehen lassen. Geschichten, die den Geist dehnen, bis man ihnen endlich zu lauschen vermag, ohne die notwendige Vorsicht zu mißachten. Und gibt es Schöneres, als gestärkt durch gutes Essen und bessere Geschichten und kurzen Schlaf morgens als erster aufzubrechen, mit all dem, was der wortreiche Schurke an begehrenswerten Gütern trug? Fürwahr, kaum Köstlicheres ist in der Welt als dies.
    Viel hatte ich gehört von der strahlenden Schönheit der ältesten Tochter am Königshof zu Sparta. Klytaimnestra, Tochter des Tyndareos. Ah, die Münder troffen vor Gier, und es wölbten sich die Leibschurze jener, die von ihr sprachen. Aber Klytaimnestra war Mykenes König versprochen, und Agamemnon nahm sie, nahm sie mit. Dann jedoch wuchs die jüngere Schwester heran, und man sagte, verglichen mit ihr, Helena, sei Klytaimnestra eine Schattenschlunze. Nun waren Helenas und Klytaimnestras Brüder bei einem jener wirren Kämpfe gefallen, die sich von Zeit zu Zeit immer noch zwischen den Alten, zu denen die Sippe des Tyndareos gehörte, und den Achaiern ergaben. Zweifellos erzählt man inzwischen verwegene Weisen, singt wuchernden Unflat über Kastor und Polydeukes – glaubt mir, ihr Holden, es ist nichts daran. Lassen wir sie also beiseite.
    Helena. Die ältere Schwester in Mykene. Die Brüder tot. Wer Helena gewinnt, gewinnt Sparta. Ihre Schönheit… ihre Schönheit, sagte man, sei so unbeschreiblich, von so hinwerfender, zerschmetternder, malmender Wucht, daß bei ihrem Anblick der älteste Basilisk zur Qualle werde. Ein Blick Helenas genüge, hieß es, um die ausgedroschenen, mürben Halme des vorigen Herbstes strotzend auf den Feldern erstehen zu lassen. Ihr Lächeln, so war zu hören, lasse Honig triefen aus den härtesten Quadermauern, so daß jene, die, in der Betörung wahnsinnig geworden, mit den Köpfen an die Mauern rannten, über und über klebrig wieder zu sich kamen. Ihre Rede sei klüger als der uralte Karpfen Lepidotos, der das klügste aller Geschöpfe ist, wie wir wissen – Lepidotos, der einst mit geflügelten Beinen aus dem uralten Land der Binsen und des Sphinx nach Delphi kam, dort in seiner Weisheit auf Beine und Flügel verzichtete und sich in den Omphalos stürzte, jenen Spalt, der Herz und Leber der Welt ist und über dem die Pythia ihre Weisungen, Weisheiten und Weissagungen heckt. Lepidotos, der tief im Omphalos gottgleich im Schlamm lebt, bespült von einem Nebenfluß des Styx, flüstert der Pythia jene Antworten zu, die Apollon nicht weiß, und der Karpfen ist das klügste aller Wesen. Aber Helena war klüger; so klug, daß der Karpfen lange Zeit stumm war vor Neid.
    Ich habe sie gesehen, o ihr Huldreichen. Und ich habe gelitten. O ihr Götter, wie ich gelitten habe. Denn nichts ist furchtbarer als der höchste Preis, den man nicht haben kann. Ich bin nach Sparta gereist, wie so viele – Kinyras kam von der fernen Kupferinsel Kypros, und Idomeneus wäre bereit gewesen, nicht ins üppige Knossos heimzukehren und sein ganzes Kreta aufzugeben, und achaische Fürstensöhne aus allen Teilen, und Tlepolemos von Rhodos, und aus dem Secha-Land kam der Sohn des Telephos, aus dem Arzawa-Reich der später, heute, so ruhmreiche Mopsos und sein Herr Madduwattas, der Dunkle Alte. Aus Troja reiste Aineias an, wurde aber von Wind und Wellen aufgehalten. Memnon, Neffe des Pharao im Binsenland, kam mit zehn Schiffen und prächtigem Gefolge – die Schiffe mußte er zurücklassen, um Sparta im Binnenland zu erreichen, aber man sprach von ihnen. Es hieß auch, Memnon sei nicht nur Neffe des Herrschers am großen Fluß Jotru, sondern auch Neffe des Priamos, da dessen Halbbruder Tithonos auf seiner langen Wanderung eine erquickliche Rast im Bett der Schwester des Herrschers gemacht habe. Tithonos, Verwalter jener Kupferberge, die die Assyrer den Hethitern geraubt haben, schickte seinen Sohn Nabju, und es kam einer der Söhne des hethitischen Großkönigs, und reiche Männer aus Sidon und Tyros und Byblos.
    Ach, und der arme Odysseus war auch dabei. Nie hat einer, der nicht dabei

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