Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
meinen Reizen zu überzeugen, und schließlich gab sie den Versuch auf, mir Ablehnung vorspielen zu wollen – irgendwie wußten wir beide seit der Geschichte am Brunnen, was wir voneinander wollten. Ikarios stimmte zu, nach einem Gespräch mit seinem königlichen Bruder, aber er wollte, daß ich nach alter Sitte in sein Haus käme, statt Penelope mitzunehmen. Die Aussicht, in der Nähe des Palasts zu bleiben, in dem Helena und Menelaos… nein, und Penelope sah dies auch so. Als wir abreisten, mit einem Eselskarren, kam Ikarios noch einmal zu uns, um sie zu fragen, aber sie verhüllte lediglich ihr Gesicht.
    Vorher… Vielleicht wäre dies noch zu erwähnen. Es ist nicht so wichtig wie die Dinge zwischen Männern und Frauen, es ist nur eine Frage der Staatsgeschäfte, die, wie wir wissen, gründlich belanglos sind. Also:
    Tyndareos bat die Fürsten der achaischen Lande, ein wenig länger zu bleiben; er befürchtete (und ich hatte ihm zu dieser Befürchtung geraten), daß durch den Wettstreit um Helena die eine oder andere Fehde entstehen mochte; es wäre besser, noch ein paar Tage in Frieden nach Freundschaft zu suchen. Freundschaft verbirgt sich immer unter losen Steinen, oder sie kriecht in unzugängliche Winkel. Man muß sie ködern, kitzeln, locken. Wir taten dies – bisweilen ungern, wie ich zugebe; wer will schon mit Männern wie Achilleus oder Diomedes befreundet sein? Mancher nähme lieber eine Viper mit ins Bett.
    Immerhin, wir haben es versucht. Dann kam der Mykenier Palamedes aus Nauplia auf den dämlichen Einfall, man müsse etwas unternehmen, um die Einheit aller Achaier zu fördern und zu festigen. »Welche Einheit welcher Achaier?« sagte ich. Aber er wollte nichts hören.
    Er schlug vor, zu Förderung von Einheit und Wohlstand einen Kriegszug zu unternehmen. Wohin auch immer – Norden, Osten, Süden, Westen, ganz gleich, nur zu einem lohnenden Ziel. Illyrien, Tyrsa, Troja, Arzawa, die Städte der Phönikier, das Binsenland, was auch immer. Ruhm, Ehre, Beute, Reichtum, Eintracht.
    An dieser Stelle beschloß ich, mit meiner trefflichen Gattin heimzureisen, nach Ithaka. Ich wollte nichts von einem derart hirnlosen Unternehmen wissen.
    Wieso ich dann später doch…? Ihr Holden, es ist spät, oder früh, je nachdem; ich bin matt, mein Mund zerfasert vom Reden, und die Geschichte, die ihr jetzt hören wollt, ist sehr lang. Morgen. Laßt uns ein wenig… Was? Nein, nur ruhen, bitte!

5. FLÜCHTIG GEFANGEN
    Er wußte nicht, was von seinen verschwimmenden Erinnerungen Traum war und was tatsächliches Geschehen; einige Atemzüge lang zweifelte er, ob man zwischen beidem einen Unterschied feststellen konnte. Dann sagte er sich, daß er nie von röhrenden Kopfschmerzen geträumt habe, daß dies also die Wirklichkeit sein müsse. Er erinnerte sich an Gestalten, einen Schlag, Schwärze, einen Tanz brüllender Götter mit Menschenköpfen und Tierleibern, und vielleicht war er irgendwann herumgetaumelt, gestützt auf andere oder von ihnen geschleppt.
    Alles schaukelte. Schiffsbewegungen. Er atmete langsam, tief, bemühte sich, das Pochen (eher ein lautloses Grollen) in seinem Schädel zu mißachten.
    Dann öffnete Ninurta die Augen und schloß sie gleich wieder; über ihm wölbte sich sengendes Gleißen. Er hob die Hände, um die Augen zu beschirmen.
    Die Hände waren zusammengebunden.
    »Lebst du, Herr?« sagte eine leise Stimme – die von Lamashtu.
    Er ächzte. »Ich würde es nicht leben nennen, aber ein schlechteres Wort fällt mir nicht ein. Was ist geschehen?«
    Lamashtu half ihm, sich aufzurichten. Sie befanden sich an Bord eines schweren, breiten Lastschiffs – eines von sieben, wie er bald sah. Die Küste lag weit rechts von ihnen; Awil- Ninurta zählte die Dinge zusammen und wußte, daß es mittlerer Nachmittag war und kräftiger Südwind die Schiffe nach Norden trieb.
    »Wir haben am Palasttor gewartet, Herr; jedenfalls in der Nähe des Tors, gut verborgen.« Lamashtu hatte eine Riß oder Schnittwunde auf der linken Wange. »Dann wurde das Tor geschlossen, und wir sind um den Palast gelaufen, bis wir das kleinere gefunden haben. Da bist du auch schon herausgekommen, und ein paar Männer haben sich auf dich gestürzt.«
    »Ich erinnere mich, dunkel.«
    Tsanghar und Lamashtu hatten versucht, ihm gegen die Angreifer beizustehen. Es seien sechs oder sieben gewesen, und sie schienen dort schon gewartet zu haben, als ob sie genau wüßten, was sie zu tun hätten.
    »Was ist mit Tsanghar?«
    »Sie haben ihn

Weitere Kostenlose Bücher