Trojanische Pferde
dann steige ich aus. Vielleicht doch noch in den Kongress. Oder sich der Lehre zuwenden? Schreiben?
Die Zigarre zwischen den Fingern rollend, ging er mit sich zurate. Er bekam aber keine Antwort. Das Dorchester-Geschäft drängte sich wieder in seine Gedanken.
Verdammt.
Das war das Problem. Immer auf der Jagd, obwohl das Jagdfieber längst verflogen ist.
»Du hast genug.« Michaels Worte fielen ihm wieder ein. »Zeit für einen Ausflug an den Strand.« Völlig richtig, er brauchte das Geld nicht; warum also war er noch immer auf der Jagd?
Vor einer Formschnitthecke am Eingang zu den Channel Gardens in der Mitte des Rockefeller Centers blieb er stehen. Er blickte zurück auf 30 Rock, dann drehte er sich wieder Richtung Fifth Avenue und Saks. Er rief sich in Erinnerung, dass er diesen Ort liebte, und nun versuchte er auch, das Gefühl des Aufgehobenseins wieder wachzurufen, das die Luxusläden entlang der Fifth Avenue – Tiffany, Van Cleef & Arpels, Versace, Gucci, Bergdorf Goodman – ihm stets vermittelt hatten: ein halber Kilometer, auf dem sich die exklusivsten Einkaufsflächen der Welt ballten. Ah, und die beruhigende Gewissheit, dass die Crème der globalen Geschäftswelt – TimeWarner, Sony, Bank of America, American Express – ihr Hauptquartier innerhalb eines Gebiets aufgeschlagen hatte, das in einer zwanzigminütigen Taxifahrt zu durchmessen war. Er seufzte, dann ging er langsam in Richtung Fifth Avenue.
Dieser Jassar, der wird mit Sicherheit das Blut wieder in Wallung bringen
. Mit seiner Hilfe würde Daniel sogar einen Beweis führen können: dass man nämlich an der Wall Street sein Geld sehr wohl noch auf ehrliche Weise verdienen konnte, ohne irgendwen übers Ohr zu hauen, und dass man auch gerade dann aussteigen konnte, wenn der Rubel am Rollen war. Danach würde er sich nie wieder mit schmierigen Typen wie Dieudonne abgeben müssen. Oder verlogenen Saftsäcken wie Kovarik.
Der Wind trug ihm den Geruch von Hotdogs zu, aber auch das Parfüm zweier Frauen, die vor ihm hergingen. Und gleich ist sie wieder da: Angie in Peru, wie sie Daniel an die Hand nimmtund ihn mit in die Hütte des Schamanen schleift, die sie nach einer dreitägigen Wanderung durch die Berge endlich gefunden haben; dann Angies Lippen an der Holzschüssel, die den magischen Trank des Schamanen enthält; dann Angie schweißgebadet auf dem feuchten Lehmboden der Hütte, nach sechsunddreißig Stunden auf einem Trip, von dem sie, im Gegensatz zu Daniel, nie wieder runterkommt, niedergestreckt von einer Hirnhautentzündung.
Er verdrängte das Bild, atmete heftig aus. Er hob die Zigarre zum Mund, bemerkte, dass sie ausgegangen war, warf sie in den nächsten Abfallkorb.
Und was mache ich jetzt mit all dem?
Er ließ die Frage auf sich wirken, und die Antwort kam: »Jemanden finden.«
Jemanden, mit dem ich das alles teilen kann.
Noch eine Einstellung von Angie, sie lächelt boshaft, dann läuft sie zum Schrank und zerknittert all seine frisch gestärkten Hemden, weil er sie diesmal richtig auf die Palme gebracht hat. Ihr Lächeln wird milder. Und jetzt sieht er sie mit ausdruckslosem Gesicht im Krankenhausbett, dunkle Ringe unter den geschlossenen Augen, die Stirn schweißnass von dem Fieber, das abwechselnd tobt, wieder nachlässt und sie schließlich verzehrt. Noch ein Bild, die Gesichter von Dr. Arbouthnot und seinem Assistenzarzt für Infektionskrankheiten im NYU Hospital, die Köpfe schüttelnd, nachdem Daniel ihnen von dem Schamanentrank erzählt hat. Die Bilder überschwemmen jeden Gedanken daran, dass jemand anderes Angies Platz in seinem Leben einnehmen könnte.
Aber das ist genau das, was ich brauche
. Er hält inne, macht sich auf einen weiteren Überfall gefasst. Dann, wie erwartet, setzen die Gewissensbisse ein.
Daniel wandte sich der Statue des Prometheus zu, der seine Flamme über die Eisbahn hielt, und verharrte einige Minuten schweigend.
Ein Feuerfunke? Tja, vielleicht ist es das, was ich brauche
.
»Aber das reicht nicht«, sagte er laut.
Ich brauche Prinz Jassar. Und ein oder zwei Jahre, um ein paar Hundertmilliarden-Geschäfte für ihn aus dem Boden zu stampfen. Und fünfundzwanzig Prozentder Honorare als Anteil für mich, vielleicht satte zwanzig bis dreißig Millionen!
Er ließ sich das eine Weile auf der Zunge zergehen, merkte dann, dass es noch nicht alles war.
Und dazu noch eine gute Frau. Damit sich das alles auch lohnt.
Sein Magen gab Ruhe.
KAPITEL 3
2. J ULI, LAUFENDES J AHR . R IAD , S AUDI -A
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