Trojanische Pferde
Milford.«
Um zwei Uhr stand er vor seinem Haus. Der Porsche parkte in der Auffahrt, die Haustür war nicht abgeschlossen. »Hallo«, rief er. Er machte eine schnelle Runde durchs Erdgeschoss, konnte Lydia aber nicht finden.
Wo bist du, Liebste?
»Lydia?«
Er ging zurück ins Arbeitszimmer und sah ihr Notebook aufgeklappt und noch online auf dem Schreibtisch. Als er näher trat, befiel ihn das untrügliche Gefühl, ihm würde jemand mit feinem Schmirgelpapier über den Nacken reiben. Was er sah, war schlicht nicht möglich. Es war der Desktop seines eigenen Computers im Büro, die Symbole für Geschäftsdokumente und Programme auf beiden Seiten säuberlich aufgereiht und der Dokumentenordner auf seiner Festplatte geöffnet in der Mitte. Seine Kopfhaut kribbelte.
Was zum Teufel …?
Das sah so aus, als hätte sie sich in seinen Computer gehackt.
Sein Puls raste, während er die Treppe hochlief, um im Dachgeschosszimmer nachzusehen, das er Lydia für ihre persönlichen Bedürfnisse überlassen hatte. Er trat ein, ohne zu klopfen. Sie war nicht da. Er war schon fast aus der Tür hinaus, als er einen Stapel von Papieren auf dem Boden liegen sah. Er beugte sich hinunter, um sie in Augenschein zu nehmen.
Ein deutscher, ein französischer, ein Schweizer, ein israelischer, ein amerikanischer und ein italienischer Pass lagen nebeneinander, daneben stapelweise Geldscheine in verschiedenen Währungen und ein weiterer, gut fünf Zentimeter hoher Stapel abgegriffener Aktenmappen. Er schlug den französischen Pass auf. Er war auf den Namen Lydia Duffre ausgestellt, und auf dem Foto war Lydia zu sehen. Erneut dieses schmirgelnde Gefühl im Nacken. Hier stimmte etwas nicht, ganz und gar nicht.
Wer zum Teufel ist Lydia Duffre, warum war sie …?
Musste sie sich vor jemandem verstecken? Ging’s um Drogen? Irgendeinen groß angelegten Betrug?
Er schlug den deutschen Pass auf. Lydia Schiffer. Das Foto zeigte eine grämliche Frau ohne Make-up und mit kurz geschnittenen schwarzen Haaren. Ohne Frage Lydia. Das feine Schmirgelpapier wurde immer gröber, er hörte seinen Puls in den Ohren pochen und begann seine Magensäfte zu schmecken. Mit hektischen Fingern blätterte er in dem israelischen Pass. Lydia Goldman. Er knallte ihn zu, nahm sich die Schweizer, dann die amerikanische und schließlich die italienische Version vor. Verdrießlich lachte er auf, es klang wie ein Stöhnen der Verzweiflung.
Kein einziger mit »Fauchert«. Was denn, hat sie den Namen extra für mich reserviert?
Er durchblätterte die Euros, schätzte, dass es eine Summe im Gegenwert von mindestens fünfzigtausend US-Dollar war. Er musste die amerikanischen Dollars nicht zählen, um zu erkennen, dass die vier umwickelten Stapel von Hunderterscheinen annähernd hunderttausend Dollar ergaben. Gerade begann er die englischen Pfund zu zählen, als er jemand die Treppe hinaufkommen hörte.
»Daniel?« Lydia war offenbar auf der Treppe stehen geblieben.
»Lydia«, sagte er tonlos. Sein Mund war trocken. Lydia setzte ihren Aufstieg fort. Er erwartete sie, die Pässe und das Bündel mit den Schweizer Franken in der Hand. »Was hat es mit all dem hier auf sich?«
Als sie in die Tür trat, waren ihre Augen geweitet, der Mund vor Schrecken geöffnet. Er sah sie die Luft anhalten, dann langsam ausatmen, ihr Blick wurde fest und hart. »Ich kann es erklären.«
»Das will ich hoffen.« Daniels atmete schwer, er hörte das Zittern in seiner Stimme.
»An deiner Stelle würde ich jetzt nicht diesen Ton anschlagen. Schließlich bist du ohne Erlaubnis in mein Zimmer eingedrungen.« Sie hob trotzig das Kinn. »Es war doch wohl keine Einbildung von mir, dass du mir dieses Zimmer als privaten Rückzugsort überlassen hast. Du hast mir dein Wort gegeben, und jetzt möchte ich wissen, was du hier zu suchen hast.«
Daniel biss die Zähne zusammen.
Billiger Verhandlungstrick. Geh, wenn du in der Defensive bist, einfach in die Offensive.
»Du bringst solche Sachen hier in mein Haus und hast dann nichts weiter dazu zu sagen, als dass ich ›nicht diesen Ton anschlagen‹ soll?«
»Ach, erst ist es mein Zimmer, aber jetzt ist es dein Haus?« Sie ging mit festem Blick auf ihn zu.
»Ja, das hier ist mein Haus und ich würde gern wissen, was zum Teufel darin vorgeht. Und ich möchte wissen, wie du dazu kommst, an meinem Bürocomputer herumzuwerken!«
»Du willst wissen, was vorgeht? Ich kann dir sagen, was vorgeht: Du verletzt meine Privatsphäre!«
»Auch die Privatsphäre hat
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